Lichtenberg gegen Cafe Germania

■ Bürgermeister plädiert für Schließung des über die Stadt hinaus bekannten Treffpunkts von Rechtsextremen. Neonazis planen Aufbau einer "nationalen Gastronomie- und Freizeitstruktur"

Das von Rechtsextremen betriebene und besuchte Café Germania in der Lichtenberger Normannenstraße ist dem Bezirk zunehmend ein Dorn im Auge. Nicht nur die antifaschistische Gruppierung „Aktion gegen Rechts“ (AgR) hat sich die Schließung des Cafés auf die Fahnen geschrieben. Auch der Lichtenberger Bezirksbürgermeister Wolfram Friedersdorff (PDS) will dem Neonazitreffpunkt ein Ende bereiten.

Mit seinem „Café Germania“ ist der langjährige Rechtsextremist Andreas Voigt offensichtlich in eine wahre Marktlücke vorgestoßen. Seit der Eröffnung des Ladens im Dezember vergangenen Jahres, kann sich der Skinhead nicht über mangelnde Kundschaft beklagen. Die Lokalität wird ebenso auf den Internet-Seiten der neonazistischen Berlin-Brandenburger Zeitung (BBZ) beworben, wie auch in der NPD-Parteipostille Deutsche Stimme. Die Leser werden aufgerufen, bei einem „Besuch in der Reichshauptstadt“ in der Kneipe vorbeizuschauen, und dementsprechend sieht auch das Publikum aus: Rechte Jugendliche, alternde Rechtsextremisten und organisierte Neonazis sitzen hier beisammen.

Das Café ist der einzige der ohnehin wenigen öffentlichen Anlaufpunkte für Rechtsextremisten, der derart über die Stadtgrenzen hinaus in der Szene bekannt ist. Es gilt daher als ein Knoten in der rechtsextremen Infrastruktur und Ausgangspunkt für die Verankerung der Neonazis im Kiez. Nach Angaben von Innenstaatssekretär Kuno Böse (CDU) liegt in Lichtenberg der Schwerpunkt der Berliner Skinheadszene.

Der „Aktion gegen Rechts“ zufolge verkehren auch Führungskader wie der langjährige Neonazi Oliver Schweigert und der für die Wahl auf Platz eins der NPD-Landesliste gesetzte Andreas Storr regelmäßig im „Germania“. Sie können sich hier zwischen Gesinnungsgenossen und bei „germanischem Met“ wie die Fische im Wasser fühlen.

Nach Angaben der AgR gingen vom „Café Germania“ immer wieder Pöbeleien und gewalttätige Übergriffe gegen MigrantInnen und andere Menschen aus, die nicht in das Weltbild der Neonazis passen. Nach einem NPD-Aufmarsch am 20. Juni in Hohenschönhausen soll das Café als Zufluchtort für die Teilnehmer gedient haben. Einen Tag später mußte der Laden gar von der Polizei geschlossen werden, da von dort eine massive Bedrohung der Besucher der in der Parkaue Lichtenberg stattfindenden „Fête de la musique“ ausgegangen sei.

In einem offenen Brief hat sich Bürgermeister Friedersdorff gemeinsam mit der Lichtenberger PDS-Direktkandidatin für den Bundestag, Christa Luft, dem Abgeordnetenhausmitglied Freke Over (PDS) und Vertretern von der Vereinigung Verfolgter des Naziregimes (VVN) und des Bundes der Antifaschisten (BdA) an die Lutz Kosboth Immobiliengesellschaft, die für die Vermietung des Hauses zuständig war. Die UnterzeichnerInnen wollen verhindern, daß „die Atmosphäre im Stadtteil von Einschüchterung und Bedrohung bestimmt wird“, und fordern alle Menschen und insbesondere die Immobiliengesellschaft auf, „ihren Beitrag“ zur Schließung des Cafés zu leisten.

Lutz Kosboth, Geschäftsführer der Immobiliengesellschaft, reagierte am vergangenen Freitag positiv auf den offenen Brief, den er „inhaltlich voll unterstützen“ würde. Allerdings sei die Immobiliengesellschaft seit Juni nicht mehr die Verwalterin des Hauses in der Normannenstraße 5a.

Um eine breitere Öffentlichkeit auf den Neonaziwirt und seine Gäste aufmerksam zu machen und vor allem die Anwohner zu informieren, laden die AgR und die VVN für den heutigen Montag um 19 Uhr zu einer Veranstaltung ins Rathaus Lichtenberg ein.

Die Neonazis vom „Germania“ reagierten schnell und kündigten ebenfalls für heute einen „nationalen Liederabend“ an. Dieser soll den Anfang einer bereits seit längerem geplanten „Erlebnisgastronomie“ bilden. Darüber hinaus planen Betreiber Voigt und „Kameraden“ offensichtlich den Ausbau der gefundenen Marktlücke: In Anzeigen heißt es, man wolle „eine erst berlinweite und später deutschlandweite Infrastruktur von nationalen Gastronomie- und Freizeitobjekten“ schaffen. Dieter Neudorf