Das Portrait
: Präsident von Gnaden der Militärs

■ Liamine Zeroual

Algeriens Präsident Liamine Zéroual ist amtsmüde. Am Freitag abend verkündete der 57jährige seinen vorzeitigen Rücktritt. Statt im November 2000 soll das Wahlvolk bereits im Februar 1999 über seinen Nachfolger abstimmen.

Zérouals politische Karriere begann im Januar 1994. Die Militärs, die 1992 nach dem Wahlsieg der Islamischen Heilsfront (FIS) die Macht an sich gerissen hatten, ernannten den General im Ruhestand zum Staatschef. Ein Amt, das dieser an den Urnen legitimiert sehen wollte. Im November 1995 vereinigte Zéroual 61,3 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich.

Der Veteran des Unabhängigkeitskrieges gegen Frankreich galt als integerer Vertreter der Ideale der Unabhängigkeit. Obwohl Gespräche mit den inhaftierten Führern der verbotenen FIS, Abassi Madani und Ali Benhadsch, gescheitert waren, trat Zéroual als Kandidat der Aussöhnung an.

Zéroual nutzte seinen breiten Rückhalt, um neue, gewählte Institutionen aufzubauen. Eine auf das Präsidentenamt zugeschnittene Verfassung wurde im November 1996 per Referendum angenommen. Im Juni 1997 folgten Parlamentswahlen und im Oktober des gleichen Jahres Kommunal- und Regionalwahlen. Um seine Stellung zu stärken, brauchte Zéroual eine eigene politische Kraft. Die ehemalige Einheitspartei FLN war zu stark mit dem Makel der Korruption behaftet und innerlich zu zerstritten, um diese Aufgabe zu erfüllen. Im März 1997 entstand deshalb die National-Demokratische Versammlung (RND), die sich hauptsächlich aus hohen Vertretern von Staat und Verwaltung rekrutiert. Die RND gewann alle Wahlen, auch wenn es dabei nicht immer mit rechten Dingen zuging. Zusammen mit der FLN und den gemäßigten Islamisten von MSP-Hamas stellt sie die Regierung.

Hinter sich läßt Zéroual ein Land mit einer neuen, wenn auch unzulänglichen verfassungsmäßigen Ordnung und einer im Auftrag des Internationalen Währungsfonds liberalisierten Wirtschaft, auf halben Weg zwischen Staatssozialismus und Weltmarkt. Mit der Hypothek dieser Politik muß jetzt sein Nachfolger leben: Wachsende soziale Ungerechtigkeit und mehr als 120.000 Tote in einer Krise, die Zéroual zu lösen versprach und der er doch nicht Herr wurde. Reiner Wandler