„Ich besitze hier eine Wohnung“

An den zweiten Nachkriegswahlen in Bosnien-Herzegowina nehmen auch viele Vertriebene in ihren Heimatorten teil. Sie hoffen, bald auf Dauer dorthin zurückkehren zu können. Aber das wird neue Konflikte auslösen  ■ Aus Doboj Erich Rathfelder

An der Einfahrt zur zentralbosnischen Stadt Doboj steht ein Panzer der internationalen Streitkräfte SFOR. Schwedische Soldaten blicken gelangweilt auf die hügelige Landschaft. „Keine besonderen Vorkommnisse“, meldet einer.

Bei den ersten Nachkriegswahlen vor zwei Jahren war es hier zu einem Zwischenfall gekommen, als ein Bus mit Flüchtlingen und Vertriebenen in dieser von Serben beherrschten Stadt mit Steinen beworfen wurde. Heute ist diese Gefahr auszuschließen. An der Demarkationslinie zwischen den beiden Teilen Bosnien-Herzegowinas spielen Kinder.

Im Zentrum der Stadt sind die Hauswände beklebt mit den Konterfeis der Führer der serbischen Parteien. Milorad Dodik, der sozialliberale Premierminister lächelt auf das Wahlvolk, der Führer der Serbischen Radikalen Partei, Nikola Poplasen trägt seinen Bart zur Schau, und der Fotograf Biljana Plavšićs hat sich alle Mühe gegeben, die zur Wiederwahl anstehende der Präsidentin der Republika Srpska (RS) ins rechte Licht zu rücken. Von den Parteien, die auf der anderen Seite der Demarkationslinie um Stimmen werben, wie die bosnische „Koalition“ oder die Sozialdemokratische Partei SDP, ist hier nichts zu sehen.

Genau 1.221.705 WählerInnen sind im serbisch kontrollierten Teil Bosnien-Herzegowinas zu diesen Wahlen aufgerufen. Zusammen mit den WählerInnen der bosniakisch-kroatischen Föderation sind es 2,7 Millionen WählerInnen, die das gemeinsame Parlament des Gesamtstaats und die drei Kandidaten des gemeinsamen Präsidentschaftsrats wählen. In der Republika Srpska werden zudem noch die Ämter des Präsidenten und des Vizepräsidenten dieser Teilrepublik vergeben sowie die Abgeordneten des Parlaments der Republika Srpska gewählt.

Die Wahlzettel sind angesichts dieser umfangreichen Aufgabe recht groß ausgefallen. Manche der WählerInnen, die geduldig in der Schlange eines Wahllokals im Zentrum der Stadt gewartet haben, sind mit der Aufgabe, sie auszufüllen, überfordert. Ein älteres Ehepaar läßt sich von den anwesenden Wahlhelfern beraten. „Ich will serbisch wählen“, erklärt der alte Mann, als er zur Wahlkabine geführt wird. Dort jedoch muß er sich allein weiterhelfen.

Die Wahlbeobachterin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ist vom regulären Ablauf der Wahlen überzeugt. Sie versucht alle Zweifel zu zerstreuen, hier könnten Fälschungsversuche unternommen werden: „Wir überwachen alle Wahllokale. Es ist ein lückenloses Überwachungssystem aufgebaut worden.“

Am westlichen Ausgang der Stadt, wo ebenfalls die Demarkationslinie verläuft, ist ein Wahllokal für die Flüchtlinge und Vertriebenen eingerichtet worden. Mit Bussen kommen jene in die Stadt, die vor dem Krieg hier gelebt und gearbeitet haben. 42 Prozent der ursprünglichen Bevölkerung waren Muslime und 15 Prozent Kroaten, die Stadt war also keineswegs eindeutig serbisch. „Ich besitze hier eine Wohnung und ein Haus“, sagt Ekrim P. und deutet auf einen der Hügel, die den Flußlauf der Bosna umsäumen. „Es ist jetzt eine serbische Familie drin, auch in meiner Wohnung im Stadtzentrum. Ich will aber trotzdem zurückkehren.“ Er hofft, nach den Wahlen könnte es soweit sein. Seit fünf Jahren lebt er mit seiner Familie in einem Flüchtlingsheim in Zeniza.

Politisch werden diese Stimmen kaum ins Gewicht fallen. Nur 228.000 Vertriebene aus der Republika Srpska haben sich registrieren lassen. „Hätten das alle getan, wären unsere Vertreter im Parlament der Republika Srpska viel stärker“, sagt Hassan, ebenfalls ein ehemaliger Bürger Dobojs, der wie Ekrim aus Zeniza angereist ist. Auch er hofft, bald zurückkehren zu können. Denn auch er besitzt ein Haus in dieser Stadt.

Es ist auch hier am Wahllokal alles ruhig geblieben. Niemand hindert die Flüchtlinge daran, ihre Wahlzettel auszufüllen und in die Wahlurnen zu werfen. Polizisten der Republika Srpska stehen bereit, etwaige Störer abzuschrecken. Daß die serbische Polizei die Flüchtlinge beschützen will, daß die serbischen Wahlhelfer sich korrekt gegenüber den bosniakischen und kroatischen Wählern verhalten, zeigt einen Fortschritt an.

So jedenfalls meint sieht es Tom Harper, der amerikanische Chef der internationalen Polizei IPTS in der Stadt. „Die Polizei hier hat sich verändert. Sie hat kürzlich einige der übelsten Kriminellen festgenommen. Sie arbeitet jetzt professionell.“ Als er vor 14 Monaten sein Amt angetreten hat, sei dies noch nicht so gewesen. „Ich bezweifle aber, daß es zu einer Rückkehr der Vertriebenen kommen kann. Einige Familien werden es sicher schaffen. Wenn aber ganze Gruppen kommen, wird es Konflikte geben.“