Zum Feiern besteht nicht der geringste Anlaß

Fünf Jahre nach der Unterzeichnung des Abkommens von Oslo riegeln israelische Soldaten die palästinensischen Gebiete ab. Zuvor erschießen sie zwei Mitglieder von Hamas. Die Umstände sind mysteriös  ■ Aus Jerusalem Georg Baltissen

Den fünften Jahrestag der Unterzeichnung der „Prinzipienerklärung“ von Oslo durften die Palästinenser gestern unter israelischer Abriegelung verbringen. Und das nicht etwa, weil ein Palästinenser ein Attentat verübt hat, sondern weil Israels Armee am Donnerstag zwei Hamas-Führer erschossen hatte: Die Brüder Adel und Imad Awadallah. Die Pervertierung der Oslo-Abkommen hätte deutlicher kaum ausfallen können. Dabei ist das Sicherheitsargument, das die israelische Regierung anführt, lächerlich, weil täglich Zehntausende Palästinenser die grüne Grenze illegal überqueren.

Gleichwohl zeigte auch „das andere Israel“ am Wochenende sein Gesicht. Rund 50.000 Menschen demonstrierten am Samstag abend auf dem Rabin-Platz in Tel Aviv gegen die Politik der Regierung. Obwohl auf der Demonstration auch Plakate des Vorsitzenden der Arbeitspartei, Ehud Barak, auftauchten, hatte diese sich geweigert, die Demonstration offiziell zu unterstützen. Hauptsponsor war die linke Meretz-Partei. Deren Vorsitzender, Jossi Sarid, griff die Regierung scharf an. „Wir sind nicht eure Esel“, sagte er. „Geht runter von unserem Rücken! Ihr bewegt euch in Richtung eines religiösen Staates.“ Die Verteidigung des Landes und die Produktion von Nahrung durch die Säkularen dürfe nicht länger von den Religiösen ausgenutzt werden, erklärte Sarid. Kritik an der Ermordung der Awadallah-Brüder äußerte er nicht.

Die israelische Zensur hat eine Nachrichtensperre über die Umstände der Ermordung der Hamas- Führer verhängt. Nach Angaben einer palästinensischen Menschenrechtsorganisation soll ein Augenzeuge ausgesagt haben, daß es in dem Haus, in dem die beiden getötet wurden, entgegen israelischer Darstellung keine Explosionen gegeben habe. Statt dessen seien mehrere Dutzend Männer in Zivil aufgetaucht, hätten das Haus umstellt und später fünf Schüsse abgegeben. Demnach sind die Awadallah-Brüder überrascht worden.

Gerüchte besagen allerdings auch, daß die Awadallahs an einem anderen Ort erschossen wurden und erst später in das Haus in der israelisch kontrollierten C-Zone gebracht worden seien. Der Besitzer des Hauses, ein palästinensischer Geschäftsmann aus Hebron, wurde jedenfalls schon zwei Tage vor der Operation von der israelischen Polizei in Gewahrsam genommen. Ohne Erklärung der israelischen Sicherheitsbehörden dürften die Umstände des Todes der Brüder Awadallah schwerlich geklärt werden. Vieles spricht dafür, daß es sich um eine geplante Aktion handelte.

Es stellt sich auch die Frage, ob israelische und palästinensische Sicherheitsbehörden in dem Fall kooperiert haben. Konnte Imad Awadallah aus seinem Gefängnis in Jericho fliehen, um israelische oder palästinensische Ermittler auf die Spur seines Bruders Adel zu führen, der als der wichtigere Führer innerhalb von Hamas angesehen wurde? Kurz vor ihrem Tod hatten die Awadallahs in einem Schreiben an Hamas klargestellt, daß sie nicht für den Tod des ehemaligen Bombenbauers der Hamas, Mohidin asch-Scharif, verantwortlich seien. Die palästinensische Autonomiebehörde hatte Imad Awadallah aus diesem Grund im April festgenommen. In dem Schreiben behauptet Imad auch, von den palästinensischen Sicherheitskräften gefoltert worden zu sein.

In zahlreichen palästinensischen Städten kam es am Wochenende zu Solidaritätsdemonstrationen mit den Awadallahs. Mehr als hundert Palästinenser wurden dabei durch israelische Schüsse verletzt. Der Ruf nach Rache dürfte nicht so schnell verklingen.