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: Sexy Mittlebenskrise

„Tatort: Voll ins Herz“, So., 20.15 Uhr, ARD

Das fing ja gut an. Weiträumig ausgeworfene Handlungsfäden, angedeutete Motive, spannungsfördernde Ungewißheiten. Allein es blieb nicht so. Sehr bald schon wurde die Geschichte kanalisiert und in bewährte Bahnen gelenkt, linear, überschaubar, mit klaren Täter- und Opferprofilen und nach gewohntem Typ besetzten Schauspielern.

Dabei hätte es soviel auszuloten gegeben in dieser Ermittlung über die Generation, die einst vor Brokdorf lag und heute, so klang es keß wie klug aus dem Munde einer Nachgeborenen, entweder bei der Polizei arbeitet oder Wale rettet. Zwei Frauen, einst enge Freundinnen, von unterschiedlicher Herkunft, mit unterschiedlichen Lebenswegen und Schicksalen. Mittlebensschwermut erfaßt die Hauptkommissarin Inga Lürsen und läßt sie nach ein wenig Leben gieren. Die andere hat mit der Tochter auch alle Illusionen und Ideale verloren und strebt einzig und mit allen Mitteln nach Vergeltung, die bei ihr Gerechtigkeit heißt.

Getriebene, Triebgesteuerte und Triebgewinnler traten diesmal gleich im dreckigen halben Dutzend auf. Sympathisch, daß auch die mitunter an schwerem Idealismus leidende Kriminalbeamtin der Versuchung erlag. Überhaupt bekam Ermittlerin Lürsen (Sabine Postel), zum dritten Mal im „Tatort“- Einsatz, erstmals Farbe, war ruppig, kokett, empfindsam und, in der Summe, sexy.

Bedauerlich nur, daß manches durcheinanderging. Joe Cockers „With A Little Help From My Friends“ gehört zum Woodstock-, nicht zum Brokdorf-Soundtrack. Kein kleiner Lapsus, sondern kennzeichnend für diesen „Tatort“, der desungeachtet zu den besseren Filmen der Reihe zu zählen ist. Harald Keller