Clinton pokert um seinen Amtserhalt

■ Der US-Präsident will laut eines Zeitungsberichts ein Geständnis ablegen, wenn er im Gegenzug im Amt bleiben darf. Clinton träfe damit den Wunsch vieler BürgerInnen, nur soll der Kongreß auf ein Amtsent

Berlin (taz) – US-Präsident Bill Clinton überlegt, sich mit einem Teilgeständnis aus der Lewinsky- Affäre herausziehen. Das berichtete gestern der britische Guardian. Folgender Deal werde gegenwärtig im Weißen Haus Clinton erwogen: Clinton legt ein volles Geständnis ab. Er gibt zu, im Fall Monica Lewinsky einen Meineid geleistet zu haben, um seinen Seitensprung zu vertuschen. Im Gegenzug gibt sich der Kongreß mit einem förmlichen Tadel oder einer vergleichbaren Verurteilung zufrieden gibt. Beiden Seiten wäre damit gedient. Der Zeitung zufolge soll Clinton die Idee bereits dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses des Senates, Orrin Hatch, telefonisch vorgetragen haben.

Aus der Luft gegriffen scheint die Meldung nicht. Der prominenten republikanische Senator und Vorsitzende des Rechtsausschusses, Hatch, wurde gestern mit der Aussage zitiert: Clinton könne sein Präsidialamt retten, wenn er die ganze Wahrheit bekenne, öffentlich mehr Reue zeige, sein Fehlverhalten zugebe und endlich aufhöre, sich mit juristischen Haarspaltereien aus der Affäre ziehen zu wollen. Mit Haarspaltereien sind Clintons Definitonen von Sex gemeint. Sie spielen bei der Frage, ob Clinton unter Eid gelogen hat, eine zentrale Rollen.

Die Nachrichtenagentur AP meldet dagegen, das Repräsentantenhaus werde voraussichtlich für die Einleitung eines formellen Verfahrens zur Amtsenthebung Clintons stimmen. Mit einem solchen Votum sei möglicherweise sogar noch vor einer Entscheidung im Rechtsausschuß zu rechnen. Als Quelle werden Kongreßmitglieder sowohl der Demokraten als auch der Republikaner genannt, die allerdings anonym bleiben wollten.

Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Kongreß hat sich unterdessen für eine parlamentarische Untersuchung ausgesprochen. Die 21 republikanischen und 16 demokratischen Abgeordneten im Rechtsausschuß entscheiden nach Vorlage des Bericht von Sonderermittler Kenneth Starr vermutlich schon in den nächsten Wochen, ob sie dem Plenum die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens empfehlen.

Wird dieser Empfehlung mehrheitlich gefolgt, kann der Rechtsausschuß eine umfassende Untersuchung mit eigenen Zeugen beschließen, die mehrere Monate dauern kann. Der Ausschuß könnte den Verfasser des Berichts, Sonderermittler Starr, ebenso befragen wie die ehemalige Praktikantin im Weißen Haus, Monica Lewinsky.

Rund 20 Millionen Menschen, das sind etwa zwölf Prozent der erwachsenen Bevölkerung, sollen allein in den USA das Internet benutzt haben, um einen Zugang zu dem 445-Seiten-Report mit all seinen peinlichen Details über die Sexaffäre des Präsidenten zu bekommen. Niemals zuvor haben so viele Internet-Nutzer ein einzelnes Dokument aufgerufen. Dennoch bewerten die meisten Amerikaner die Arbeit des US-Präsidenten positiv. In Umfragen, die die vier größten Fernsehsender veröffentlichten, billigen zwischen 59 und 67 Prozent der Befragten die Arbeit des Präsidenten, auch wenn sie die Sexaffäre eine grobe Verfehlung nennen. In allen vier Umfragen sprechen sich die meisten auch dafür aus, daß Clinton seine Amtszeit vollenden und nicht zurücktreten soll. Erstmals meint aber eine Mehrheit, der Kongreß müsse Clinton wegen der Lewinsky-Affäre formell rügen.

Auf Kritik stößt bei vielen Amerikanern das Vorgehen des Sonderermittlers Starr. 60 Prozent der Befragten glauben, Starr habe die Details über Clintons Affäre nur erwähnt, um den Präsidenten vorzuführen. Starr sei vor allem daran interessiert, Clinton politisch zu schädigen – und nicht in erster Linie daran, ihm einen Meineid nachzuweisen. Die Mehrheit scheint damit den Argumentationen von Clintons Mitarbeitern folgen zu wollen. Diese haben in letzten Tagen in beinahe jeder Talkshow dem Sonderermittler unlautere Motive vorgeworfen. wg