Kabila will die Tutsi verjagen

■ Für den sich verschärfenden Krieg gegen Rebellen und Tutsi wendet sich die Regierung des Kongo jetzt dem frankophonen Lager zu

Berlin (taz) – Leonard Okitundu, Minister für Menschenrechte der Demokratischen Republik Kongo, zeigte sich über seine Gespräche im Nachbarland Kongo-Brazzaville hochzufrieden. „Wir wollen ein Aufnahmeland für die Tutsi-stämmigen Ausländer finden, die sich in unserem Land aufhalten“, berichtete er gegenüber dem Staatsrundfunk. Es sei ein Abkommen geschlossen worden, wonach die in der Demokratischen Republik Kongo lebenden Tutsi nach Brazzaville abgeschoben werden sollten, wo das UN- Flüchtlingshochkommissariat UNHCR für sie ein dauerhaftes Aufnahmeland finden solle. Es gehe zunächst um mehrere tausend Menschen, die seit der Menschenjagd auf Tutsi in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa vor einigen Wochen im Militärlager Kokolo festgehalten werden.

Die Regierung von Präsident Laurent Kabila ist fest entschlossen, die gegen sie kämpfenden Rebellen aus dem Kongo zu jagen – und mit ihnen „die Tutsi“ und „die Ruander“, die als Nährboden der Rebellion gelten. Als Helfer dabei wendet sie sich dem Staatenblock zu, zu dem sie früher immer Distanz hielt: die Verbündeten Frankreichs in Afrika. Die Einigung zur Abschiebung von Tutsi aus Kinshasa nach Brazzaville, wo mit Denis Sassou-Nguesso ein guter Freund des französischen Präsidenten Jacques Chirac regiert, war nicht das erste Signal für diese Wendung der kongolesischen Diplomatie, die das Machtgefüge in Zentralafrika verändert. Das erste Zeichen machte Angola, neuerdings mit Frankreich verbündet, als es Kabila im August militärisch zu Hilfe kam.

Anfang September besuchte Frankreichs Generalstabschef, General Jean-Pierre Kelche, die 900 französischen Soldaten im Tschad und sagte, das französische Militär dort solle in Zukunft eine verstärkte Rolle spielen. Am vergangenen Freitag reiste auch Laurent Kabila in den Tschad, und Tschads Präsident Idriss Deby kritisierte brav die „ausländische Aggression“ gegen den Kongo.

Ebenfalls Anfang September, als noch antifranzösische Propaganda die kongolesischen Medien beherrschte, reiste Kongos Transportminister Henri Mova nach Paris und überbrachte Chirac eine Botschaft. Am 8. September erklärte Kongos Wirtschaftsminister Pierre-Victor Mpoyo, der Kongo habe „kein spezifisches Problem mit Frankreich“, und fügte hinzu: „Wir warten auf ein Signal aus Paris.“ Das Signal ist jetzt da. Gestern mittag landete ein französisches Flugzeug mit 34 Tonnen humanitärer Hilfe in Kinshasa. Die Maschine wird den kongolesischen Behörden eine Woche lang zur freien Verfügung gestellt.

Derweil reist auch Frankreichs Entwicklungsminister Charles Josselin Derweil gerade durch Afrika. Einen Tag vor Kabila besuchte er den Tschad. Während er von dort nach Niger weiterfuhr, reiste Kabila aus dem Tschad in das andere französische Truppenstationierungsland in der Region, Gabun, und erhielt ebenfalls eine Solidaritätsbekundung, so wie zuvor von den Regierungen der Zentralafrikanischen Republik, der Elfenbeinküste und des Sudan abgegeben hatten.

Mit der sich andeutenden Rückkehr des ehemaligen Zaire ins frankophile Lager, wo es bis zum Sturz Mobutus durch Kabila 1997 bereits gestanden hatte, erstarkt der französische Einfluß in Afrika nach Jahren des Rückzugs. Dabei sind auch die enttäuschten Hoffnungen Kabilas auf US-Wirtschaftshilfe im Spiel – so wetterte Kabila letzte Woche gegen „Uganda und Ruanda, Stiefellecker wichtiger Finanzkreise, die sich bei uns nicht ansiedeln wollten“. Aber vor allem stimmen nun die ideologischen Fronten in Zentralafrika wieder: Kabila, jetzt verbündet mit der Regierung des Sudan und ruandischen Hutu-Extremisten, stellt sich an die Speerspitze des Kampfes gegen Ruanda, Uganda und „die Tutsi“.

Dieser Kampf beschränkt sich nicht bloß auf die Ankündigung, die Tutsi auszuweisen. Im Osten des Landes, wo die gegen kongolesischen Rebellen weite Landesteile kontrollieren, mehren sich Offensiven der kongolesischen Regierungsarmee zusammen mit ruandischen Hutu-Milizen und Soldaten aus Angola und Simbabwe. Die Region um Kisangani ist umkämpft. Gestern früh wurden schwere Gefechte außerhalb der Stadt Goma gemeldet, wo die Rebellion ihr Hauptquartier hat.

Es wundert kaum, daß Ruandas Regierung Kabila vorwirft, einen Völkermord zu planen. Flugblätter, die in der von den Rebellen gehaltenen Stadt Bukavu im Untergrund kursieren, liefern bereits einen möglichen Vorgeschmack. Eines, gerichtet an „Professoren, Intellektuelle und Staatsbeamte“, warnt: „Das Volk verspricht euch, mit allen Mitteln zu seiner Verfügung – Reifen um den Hals, Besuch eines bewaffneten Kommandos – Gerechtigkeit walten zu lassen und sich euch einzeln vorzunehmen, sobald feststeht, daß ihr die Verursacher seines ewigen Elends seid. Das Volk wird niemals mehr eine Herrschaftsmacht akzeptieren, vor allem nicht durch eine Rasse ohne Ursprung und Manieren.“ Dominic Johnson