Grüne verloren Stimmen an konservative Ökologen

■ Knapp über fünf Prozent sind kein Ergebnis zum Jubeln. Trotzdem freuen sich die bayerischen Bündnisgrünen. Mit verstärkter Basisarbeit wollen sie sich gegen die Splitterparteien wehren

München (taz) – Was ist schon Erfolg? Der grüne Landeschef Bernd Schreyer hat davon eine ganz eigene Definition: Nach unheilverkündenden Umfragen und demzufolge großem Zittern haben es die bayerischen Grünen mit 5,7 (–0,4) Prozent der Stimmen doch noch in den Landtag geschafft, zwar zum dritten Mal in Folge mit Verlusten – aber immerhin, sie sind noch drin. Eine solche Entwicklung nennt Schreyer dann „einen großen Erfolg“ und setzt noch eins drauf: „Noch nie hat sich die Partei über einen Verlust von 0,4 Prozent so gefreut.“ Fast kann er einem leid tun: „Wir hatten es nicht einfach in diesem Kampf der Giganten.“

Gerne verweisen die Grünen jetzt als Erklärung für ihr im Durchschnitt der alten Bundesländer klägliches Ergebnis auf ein stimmenzehrendes Phänomen, die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP). Die Stimmen dieser konservativ-umweltschützerischen Partei, immerhin 1,8 Prozent, gehörten sowieso „zur Hälfte uns“, hört man aus der Landtagsfraktion. Will heißen: Die hätten eigentlich grün wählen sollen. Haben sie aber nicht.

Nach einer Analyse des Berliner Instituts Infratest-dimap hat die ÖDP vor allem bei der wichtigen Klientel der Frauen unter 35 Jahren Stimmen abgezogen. Hier erreichte die ÖDP fast fünf Prozent. „Die Konkurrenz gefährdet die ökologische Position im Landtag“, meint Fraktionschefin Elisabeth Köhler von den Grünen. Und während sich die ÖDP-Basis Geanken machen soll, wie sie ihre Spitze zur bisher abgelehnten Zusammenarbeit mit den Grünen bewegen kann, sind aus der eigenen Partei auch selbstkritische Töne zu hören. Es sei ein Fehler gewesen, meint Köhler, im Wahlkampf einen Benzinpreis von fünf Mark zu fixieren, sagte Schreyer.

Draußen auf dem Land, wo Supermarkt und Disco dreißig Kilometer entfernt sind, konnte man mit solchen Visionen keine Wähler locken. Erschreckend für die Grünen war demzufolge der Verlust ihrer Jungwähler, die in der Vergangenheit eine sichere Bank waren: Nach einer ZDF-Analyse votierten die Jungen am Sonntag nur noch zu neun Prozent für die altgewordenen Alternativen.

Als Attraktion für junge Politikwillige versteht sich der mit 6.000 Mitgliedern strukturschwache Landesverband freilich selbst schon nicht mehr. „Warum soll ich denn zu den Grünen, da treffe ich doch nur meine Lehrer“, zitiert ein grüner Wahlkämpfer seine Erfahrungen mit der Jugend und merkt an, seine Partei erhebe zu oft den „moralischen Zeigefinger“ und spiele so eine Art Elternrolle. Jugendliche Protestwähler würden so bei der Bundestagswahl in die Arme der PDS getrieben.

Auch die erstmals angetretenen „Freien Wähler“ (FW) haben vom Potential der bayerischen Grünen gezehrt. Viele traditionelle Grün- Wähler, kann man hören, hätten diesmal für die Freien gestimmt, weil sich dort die führenden Köpfe der Bürgerinitiativen engagiert hätten.

Früher habe man sehr gut mit den Bürgerinitiativen zusammengearbeitet, habe sie mit Informationsmaterial versorgt und ihre Anliegen ins Parlament getragen. Heute organisieren die Bürger, denen es meist nicht um einen Politikwechsel, sondern um die Verhinderung eines Handy-Antennenmastes oder einer Umgehungsstraße geht, selbst ihre Volksbegehren. Die Parteiarbeit, gerade in Bayern, ist vielen zu mühselig.

Also werden die Grünen versuchen, das alte „Initiativen-Netzwerk“ wieder aufzubauen. Gezielt wollen sie nun Volksbegehren einsetzen: „Mit diesem erfolgreichen Instrument werden wir der CSU im einen oder anderen Punkt Beine machen“, kündigte Elisabeth Köhler an. Und das wäre doch schon ein kleiner Erfolg. Stefan Kuzmany