Danke (11)
: Grillen, Hunde, Schafe

■ In Mecklenburg hängen Politiker einsam an Telegrafenmasten und summen sich eins

An den Rändern von Mecklenburg-Vorpommern dümpelt der Wahlkampf vor sich hin. Dabei werden die Wahlberechtigten hier am 27. September zwei Zettel ausfüllen müssen: einen für den Landtag und einen für den Bundestag. Zwei Kilometer Luftlinie von den Seebädern des Darß entfernt, hört man nur Grillen, Hunde, Schafe und Äpfel, die mit einem „Plopp“ nach unten fallen. An den Laternenmasten hängen lächelnd die Direktkandidaten, trotzen den ersten Herbststürmen, und niemand lächelt zurück. Die Orte sind oft so abgelegen, daß kein Wanderer vorbeikommt, um sich die Kandidaten genauer anzuschauen. Sie hängen bunt durcheinander, der eine kandidiert für den Bundestag, die andere für den Landtag.

Wolfgang Kuhn, Bundestagskandidat der CDU, lächelt verschmitzt vor der Deutschlandfahne. Seine Losung ist „Lösungen statt Losungen“, und wenn es in der Nacht zwischen Beyershagen und Dechowshof dunkel ist, und die Kandidaten sich ein bißchen fürchten, streitet er sich mit Johann Scheringer, der einen Mast weiter hängt, über dessen Losung „Arbeit und Wohlstand“.

Der ist eigentlich eine Nummer zu klein, denn Scheringer ist erstens von der PDS und zweitens Kandidat für den Landtag. Er muß sich allerdings sagen, daß es an der letzten Laterne vor der Straße nach Langendamm doch gemütlicher ist als zu Hause – als Adresse wird auf dem Wahlzettel „Zur Hölle 1“ angegeben, was die CDU freuen muß, denn da gehören die Genossen eben hin.

Die NPD hat selbst die Ampelmännchen mit rechtsradikalen Losungen zugeklebt, und um auch jeden Haushalt zu erreichen, kommt die Wahlwerbung, genauso wie die der DVU, mit der Post in die Idylle. Die SPD macht einen eher geruhsamen Plakatwahlkampf. Die Kandidaten versprechen nicht viel, nur Spitzenkandidat Ringstorff fordert mit seiner ganzen Person mehr Gerechtigkeit, vor allem im Osten.

Inzwischen machen hier Gerüchte die Runde, bei einer SPD-PDS-Koalition hätte die PDS Pläne, Gysi zum Justizminister zu machen. Wahrscheinlich sollen die Mecklenburger dazu ermutigt werden, ihr Kreuz bei der CDU machen.

Mein Wahlsieger: Rot-Grün plus PDS im Bundestag.

Mein Lieblingspolitiker: Niemand.

Meine Bundesregierung: Eine neue, die nicht die alte ist.Foto: Henning Schossig

Bernd Seite piekt deshalb auch am Straßenrand jedem Autofahrer seinen linken Zeigefinger ins Auge: „Klarer Kurs für unser Land“. Und auf einer Wahlwerbung im Boddenblitz am Sonntag behauptet er lächelnd: „Die moderne Umweltpolitik der CDU ist Zukunftspolitik. Unsere Luft ist die sauberste in ganz Deutschland.“

Das klingt irgendwie so, als sei die Luft schon nach Parteien geordnet, und wir linken Wähler würden beständig Erstickungskrämpfe kriegen, während die CDU-Fritzen Sauerstofftherapien machen und zwanzig Jahre länger leben. Annett Gröschner

Lebt als freie Autorin in Berlin