„Die Idylle ist weg“

Quader in „sensibler Umgebung“: Prämierter Architektenentwurf für den Blankeneser Bahnhofsvorplatz begeistert nicht alle  ■ Von Heike Dierbach

„Die Idylle ist weg.“ Claes-Christian Crasemann findet die Bauten, die er zukünftig tagtäglich betrachten soll, „nicht gerade schön“. Aber für den Vorsitzenden des Blankeneser Bügervereins sind sie „das kleinste Übel“. Die Rede ist vom preisgekrönten Architektenentwurf für die Bebauung des Blankeneser Bahnhofsvorplatzes.

Hamburgs Oberbaudirektor Egbert Kossak runzelte ob kritischer Töne auf der gestrigen Pressekonferenz die Stirn und wurde laut: „Ich warne davor, so lange herumzukritisieren, bis wir ein zweites Süllberg haben.“ Schließlich müsse die Lösung finanzierbar sein, „und die Stadt kann nun mal nicht viel Geld hineinstecken“. Aus diesem Grund befindet sich das Gelände von der Größe vierer Fußballfelder seit vorigem Jahr im Besitz der Grundstücks- und Investorengesellschaft Büll & Lietdke (B & L). Für die Neubebauung des ehemaligen Bahngeländes mit Laden- und Büroflächen, einem Supermarkt, Eigentumswohnungen, dem Ortsamt und einer Konzerthalle wurde Anfang Juni ein ArchitektInnenwettbewerb ausgelobt.

Die „verdammt schwierige Aufgabe“, die diversen Nutzungen zu verbinden, löste der Entwurf des Büros Markovic, Ronai, Lütjen, Voss am besten, befand die 11köpfige Jury aus ArchitektInnen, Städtebauern, PolitikerInnen und Investoren. Er zeichne sich durch „Sachlichkeit“, eine „harmonische Einfügung in die sensible Umgebung“ und die „größtmögliche Entwicklungsfähigkeit“ aus. Man müsse nur noch „ein bißchen daran schnitzen“, so Kossak gestern, beispielsweise die Bruttogeschoßfläche von knapp 20.000 Quadratmetern reduzieren.

„Erheblich überarbeiten“ möchte den Entwurf dagegen Altonas Bezirksamtsleiter Uwe Hornauer (SPD). Einen vierstöckigen Quader neben dem schönen alten Bahnhof mag sich der Bezirksamtsleiter einfach nicht vorstellen, das müsse gesagt werden, „wenn es sonst hier niemand tut“. Allerdings hat Hornauer „Vertrauen“ in die Bauherren, die Hamburg schon die Neue Flora, das Mercado und die Mundsburg-Hochhäuser bescherten. Die Blankeneser Bevölkerung habe sich im Vorfeld des Wettbewerbs „ausgiebig“ äußern können. Nach den Herbstferien stellen sich die Entwürfe, die derzeit im Hamburgischen Architekturarchiv zu sehen sind, ihrem Urteil.

Verabschiedet der Bezirk dann wie vorgesehen einen projektbezogenen Bebauungsplan, könnten in einem Jahr die Bauarbeiten für den 150 Millionen Mark teuren Komplex beginnen. Wenn er 2001 oder 2002 fertiggestellt ist, „sieht er aus wie gewachsen“, glaubt Architektin Mirjana Markovic. B & L könnte dann die Wohnungen für 6000 Mark pro Quadratmeter verkaufen und den Ladenquadratmeter zu 80 Mark vermieten – „wichtig ist ein tragfähiges wirtschaftliches Konzept“, so Geschäftsführer Ludger Inholte. Vorausgesetzt, mahnt Kossak, die „Bauchschmerzen“ der Betroffenen sind demnächst „kuriert“.