Auf Schnitzeljagd gegen den hohen Altersschnitt

■ Mit Familienkonzerten und anderen Neuheiten will Glocke-Chefin Ilona Schmiel das Publikum verjüngen

Als sie Anfang des Jahres als Geschäftsführerin der Glocke nach Bremen kam, hat Ilona Schmiel es schon angekündigt: „Wir müssen viel mehr jüngere Leute ins Haus locken.“ Wie das gehen soll, konnte und wollte sie damals noch nicht verraten. Doch gestern, bei der Vorstellung ihres ersten Programms für das keineswegs nur klassische Konzerthaus gab sie erste programmatische Antworten: Als eine von mehreren Neuerungen wird es ab Januar sogenannte Familienkonzerte geben, hinter denen sich mehr verbirgt, als der Titel ahnen läßt.

Die Kammerphilharmonie zum Beispiel führt in einer musikalischen Schnitzeljagd durch das Konzerthaus oder das Philharmonische Staatsorchester läßt unter Mitwirkung eines Clown-Ensembles Bizets Carmen-Suiten in optisch anderer Form erklingen. Daß bei den weiteren Programmpunkten der Serie die Hochschule für Künste oder die Musikschule Bremen als Partner auftauchen, ist kein Zufall. Ilona Schmiel, die noch im Februar im taz-Gespräch über die Schwierigkeiten seufzte, mit anderen Bremer Kultureinrichtungen neue Projekte auf die Beine zu stellen, hat offenbar schon einiges erreicht: „Jeder wird doch wohl pro Jahr ein bis zwei gute Ideen produzieren können“.

Die Familienkonzerte, die von ihrem Vorgänger Andreas Schulz übernommene und in der neuen Saison fortgeführte Reihe „Glocke vokal“ sowie eine neue Serie namens „Glocke spezial“ sind nur ein kleiner Ausschnitt der Veranstaltungen in der Glocke. „Nach wie vor sind 80 Prozent Vermietungen und 20 Prozent eigene Veranstaltungen“, sagt Schmiel und ergänzt, daß es noch nicht sicher ist, im kommenden Jahr den Eigenanteil auf 20 Prozent halten zu können.

Trotzdem führte diese Doppelrolle aus Vermietung und eigener Programmgestaltung in der Bremer Konzert- und vor allem Klassik-Veranstalterszene in der Vergangenheit zu Streitereien. Bei der Glocke Veranstaltungs GmbH, die eine Tochter der städtischen Hanseatischen Veranstaltungs GmbH (HVG) ist, laufen vorab alle Informationen zusammen, kritisierte ein Konkurrent hinter vorgehaltener Hand. Auch der Vorwurf, die Glocke zahle für eigene Veranstaltungen geringere oder keine Miete, hält sich hartnäckig. Doch Schmiel, die schon vor ihrer neuen Tätigkeit wußte, daß der Markt in Bremen als schwierig gilt, weist das auf Nachfrage zurück. Sie betont statt dessen gemeinsame Interessen.

Da berichtet sie zum Beispiel von einer ausgedehnten Tour durch Zeitungsredaktionen im Bremer Umland: „Ich war erstaunt, wie viele Leute die Glocke nicht kannten oder seit dem Umbau nicht da waren.“ Mit Leserreisen, Gesprächen mit KünstlerInnen und Führungen will sie das Haus bekannter machen. Fast 190.000 Menschen haben im vergangenen Jahr Veranstaltungen in der Glocke besucht. „Diesmal“, sagt Schmiel, „werden wir die 200.000 überschreiten.“ Eine neue, zusammen mit dem Theater betriebene Kartenverkaufsstelle an der Uni soll unter anderem dafür sorgen, daß sich der Altersdurchschnitt senkt. ck

Zum Auftakt der Eigenveranstaltungssaison und der Reihe „Glocke spezial“ tritt der Rezitator Lutz Görner mit Band in der Glocke auf und präsentiert sein Literatur-Musik-Programm „Auch Goethe“ (3. Oktober, 20 Uhr). Sie wird mit Gastspielen der „Original Peking Opera“ (29. und 30. Oktober, 20 Uhr) sowie den „Terzenbrechern“ (30. und 31. Oktober, 20 Uhr) fortgesetzt. Die Reihe „Glocke vokal“ beginnt Robert Holl mit einem russischen Programm (22. Oktober, 20 Uhr). Es folgt Siri Torjesen (16. November, 20 Uhr). Zu einer ersten Führung lädt die Glocke am 26. September ein. Anmeldung unter % 33 66 99.