Nobelhotel zur Räumung verurteilt

■ Landgericht verurteilt die Kempinski AG, den Betrieb ihrer 300-Zimmer-Herberge am Ku'damm einzustellen und das Gebäude an den Eigentümer, die Advanta-Gruppe, zurückzugeben. Die Kontrahenten streiten um Mi

Für Hausbesetzer ist es eine normale Erfahrung – nicht jedoch für die Betreiber eines Nobelhotels. Gestern verurteilte das Landgericht die Kempinski AG, ihre Luxusherberge mit 300 Zimmern an der Ecke Ku'damm/Fasanenstraße zu räumen. Der Hotelkonzern hatte vor einem Jahr nämlich die Mietzahlung an die Eigentümerin des Gebäudes, die in Frankfurt/Main ansässige Advanta- Gruppe, eingestellt. Die reichte daraufhin eine Räumungsklage ein – mit Erfolg.

Gestern jedoch wurden keine Ledersessel und Kronleuchter auf den Ku'damm getragen. Es gab weiter Hummer und Kaviar. Auch die Suiten des „Kempinski Hotel Bristol Berlin“ wurden an ankommende Gäste vermietet. Und den Kontrahenten hatte es die Sprache verschlagen. Niemandem war offensichtlich klar, wie auf die Entscheidung der Handelskammer des Landgerichts zu reagieren sei.

Das Urteil könnte sofort vollstreckt werden. Es sei denn, die Kempinski AG zahlt 18 Millionen Mark auf ein Sicherheitskonto. Tut sie das, wird die Räumung ausgesetzt, und die Streithähne treffen sich bald vor der nächsten Instanz, dem Kammergericht. Die 18 Millionen entsprechen ungefähr der ausstehenden Jahresmiete plus Verfahrenskosten.

Der Streit um die Kempinski- Hotels begann 1992. Damals kaufte die Immobilienentwicklerin Advanta die Hälfte des Konzerns. Das Berliner Haus wurde kurz danach an den Advanta-Aktionär Dieter Bock veräußert, der es der Kempinski AG zurückvermietete – für rund 13 Millionen Mark jährlich. Auch vor dem Hintergrund permanenter Verluste erschien dem Hotelkonzern die Mietzahlung bald viel zu hoch. Also stornierte man die Überweisungen.

Kempinski attackierte vor Gericht jedoch nicht nur den Mietvertrag, sondern die komplette Transaktion von 1992. Die Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz unterstützt die Hotelkette in ihrer Kritik. Bock und Advanta, die die Luxushotels schon 1994 zum größten Teil an einen thailändischen Investor weiterverkauften, hätten den Nobelkonzern nach allen Regeln der Kunst „ausgeplündert“. Kempinskis Anwälte halten deshalb die gesamte Transaktion für nichtig und schlußfolgern: Das Berliner Hotel gehöre gar nicht Bock und Advanta. Folglich müsse man ihm auch keine Miete zahlen. Eine Sichtweise, der sich das Landgericht nicht anschloß.

Zahlt Kempinski die 18 Millionen Mark Sicherheitsleistung, wird sich das Verfahren mindestens Monate, wenn nicht Jahre hinziehen. Und die Nobeladresse kann weiter Räume an Leute vom Kaliber einer Sophia Loren oder eines Mick Jagger vermieten – egal, wem sie gehört. Hannes Koch