Der Pate bettelte beim Pizzabäcker

In Baden-Baden begann gestern der Prozeß gegen den mutmaßlichen Mafia-Boß Ciccarelli. Der Angeklagte bestreitet jegliche Anstiftung zum Mord  ■ Aus Baden-Baden Heide Platen

Sabatino Ciccarelli, genannt Tino, ruft immer abends an. Er befiehlt nicht wie ein Boß, sondern drängelt, bettelt, verspricht. Sein Gesprächspartner ist der verschuldete Pizzabäcker Luigi Granata. Er stammt aus dem gleichen Dorf bei Neapel. Eigentlich hatte Granata den reichen Landsmann, der mehrere schicke Modeboutiquen in Baden-Baden und Umgebung betreibt und mit Möbeln und Textilien handelt, um finanzielle Hilfe gebeten. Doch nun sind die Rollen vertauscht.

Ciccarelli verspricht ihm Verdienst am Kleiderhandel, an einer Charge Gold- und Silberwaren. Vorher aber will er, daß ihm der gelernte Koch mit Kontakten zum kleinkriminellen Milieu eine Pistole mit Schalldämpfer besorgt. Granata hielt seinen Geldgeber in spe zuerst hin, sagte dann aber zu, eine Waffe aus Belgien zu besorgen.

Dorthin fährt er mit einem Freund im Mai 1995. Die beiden werden nach ihrer Rückkehr mit der Waffe im Gepäck prompt verhaftet und verurteilt. Die Fahnder des Bundeskriminalamtes hatten bei der Geschäftsanbahnung mitgehört. Das taten sie seit März 1995 insgesamt zwei Jahre lang. Observation und Telefonüberwachung galten eigentlich Ciccarelli, der im Verdacht stand, einer der ganz großen Paten zu sein, Verbindungsmann zwischen neapolitanischer Camorra und sizilianischer Mafia. Familiengeschichte und Vorstrafen in Italien sprachen dafür.

Festgenommen wurde Ciccarelli aber erst mehr als zwei Jahre später. Die Karlsruher Staatsanwaltschaft konnte trotz der überaus aufwendigen Überwachung außer der Waffenbestellung keine Beweise für den Rauschgifthandel und die Geldwäsche im großen Stil gegen Tino Ciccarelli zusammentragen.

Die Hauptverhandlung begann gestern vormittag im Baden-Badener Landgericht mit einer unbehaglich schnell und haspelig verlesenen Anklage wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz und Anstiftung zum Mord. Die georderte und von der Polizei sichergestellte Waffe habe zur Ermordung von zwei Landsleuten benutzt werden sollen. Die beiden Killer für die Tat habe Ciccarelli über seinen Sohn Franco aus der Heimat anreisen lassen wollen.

Ciccarelli, klein und unscheinbar, wirkte zum Prozeßbeginn angespannt und verschreckt. Eingeklemmt zwischen seine Verteidiger Steffen Ufer und Werner Haimayer aus der Münchner Kanzlei Bossi ließ er eine Erklärung verlesen, in der er überraschend zugab, eine weitere Pistole besessen zu haben. Er habe sich 1982 von der Mafia getrennt und sich deshalb bedroht gefühlt. Dies sei auch der Grund gewesen, warum er Italien damals „fluchtartig“ verlassen habe. Mit den Waffen habe er sich „mehr Respekt“ in der südbadischen Italienerszene verschaffen wollen, weil er sich und sein Leben auch hier nicht mehr sicher wähnte.

Besonders viel Gewicht legte Rechtsanwalt Ufer auf den Hauptbelastungszeugen der Anklage und demontierte ihn von grundauf noch vor dessen eigentlicher Vernehmung: Vincenzo Esposito, auch ein Neapolitaner, sei ein notorischer Lügner und Wichtigtuer, der sogar den Bundeskanzler schon verärgert hätte. Esposito hatte sich dem Bundeskriminalamt als Informant in der Barschel-Affäre angedient und behauptet, in Bonn hochrangige CDUler und eine Vertraute des Bundeskanzlers belauscht zu haben, als sie Ciccarelli beauftragten, den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten „zu beseitigen“.

Ufer warf dem BKA und der Staatsanwaltschaft vor, mit dem Prozeß gegen seinen Mandanten „an den Randbereich der Verfolgung Unschuldiger“ geraten zu sein. Die Haftrichter seien durch das Verschweigen von Espositos Rolle „gezielt in die Irre geführt worden“. Er unterstellte den Ermittlungsbehörden nach der langwierigen Überwachung, von einem „besonderen Erfolgszwang“ getrieben zu sein.