Falsche Adresse? –betr.: „Die ganze Schule zittert mit“, taz-Hamburg vom 7.9.1998

Vorweg sei gesagt: Der Schreiber dieser Zeilen schließt sich dem Appell bzw. dem Protest derjenigen an, die erreichen wollen, daß ausführende deutsche Behörden gegenwärtig auf die „Rückführung“ bosnischer Flüchtlinge verzichten. Dies ist für Mitschüler und Lehrer der von Rückführung bedrohten Schülerin Enisa Mesanovic, ja auch für Teile der Öffentlichkeit eine naheliegende erste menschliche Reaktion. Aber sie ist weder ausreichend noch völlig überzeugend.

Dazu muß man sich auf das Hauptkampffeld begeben und die eigentlichen Urheber der Menschenrechtsverletzungen, der „ethnischen Säuberungen“, der Vertreibungen vor der Weltöffentlichkeit bloßstellen und die Politiker im eigenen Land zwingen, stärkere und wirksamere internationale Maßnahmen gegen das Unrecht in Ex-Jugoslawien zu ergreifen.

Man mag die „Dinosaurier von '68“ noch so sehr schelten, aber sie scheuten sich nicht, auch die USA wegen Vietnam, die UdSSR wegen der CSSR und Afghanistan anzugreifen. Wie der ermordete schwedische Ministerpräsident Olof Palme richteten sie ihren Protest vor der Weltöffentlichkeit direkt gegen die Urheber des Unrechts und gaben sich nicht mit ihrer Darstellung vor den Medien gegen untergeordnete Verwaltungsorgane zufrieden, kaum mehr als ein Nebenkriegsschauplatz.

Bosnischen Flüchtlingen muß es um mehr gehen, als nur ein wenig länger hier bleiben zu dürfen, einheimischen Bürgern muß es um mehr gehen, als ihrem Ärger über ihre Behörden einmal „Luft machen“ zu können, es muß uns insgesamt um mehr gehen, als das Unrecht nur in Medien darstellen zu dürfen. Es geht um das sofortige Ende der Menschenrechtsverletzungen in Ex-Jugoslawien, um ein glaubwürdiges internationales Einschreiten gegen „ethnische Säuberungen“, um eine gesicherte menschenwürdige Rückkehr, um den Wiederaufbau (des) der zerstörten (Landes) Länder.

Fassen wir also den Stier am richtigen Ende an, an den Hörnern: Zeigen wir in jeder Wahlveranstaltung, in jedem Leserbrief, in jedem Bürgergespräch, wie unzufrieden wir mit den halbherzigen Maßnahmen der EU, der UNO, unserer Regierung und Opposition sind, prangern wir auch Herrn Milosevic, Karadzic usw. wieder und wieder an, „organisieren wir uns“! Armin Stüwe