Soundcheck II

■ Wahre Schule

Heute abend: Wahre Schule. HipHop klaut. Er hat schon von seiner Idee her kein Selbst. Das Sample ist ein Fremder. Es gehört einem anderen und wird einfach benutzt, um etwas Eigenes vorzugaukeln. Das Zitat bespiegelt sich selbst. Darum gehen Wahre Schule noch einen Schritt weiter. In bester Spoken-Word-Tradition werden Zitate zur Montage und die Montage zum Track. Die Berliner vereinen Unvereinbares, das ist hier sowas wie Normalität. Denn ihre Lyrics reden vom Alltag, von Städten.

Den Vorwurf, ihre Texte seien zu unverständlich und zu schwierig, versuchten sie mal in der Spex zu entkräften: „Das stimmt nicht, ihr seid bloß zu faul, damit zu arbeiten.“ Ein gewagter Anspruch, denn die Komplexität ihrer Assoziationsketten überfordert beim ersten Hören allemal und erschließt sich in ihrem Zitatereichtum nur, wenn der Zuhörer Spaß am Wiedererkennen hat. Dabei ist es nicht die Freude am Wortspiel, die Wahre Schule in die Komplexität treibt, sondern der radikale Inhalt. Das Publikum erwartet also ein Literatur-Seminar mit delikaten Beats. Nicht die schlechteste Universität, das.

Eberhard Spohd

21 Uhr, Molotow