Das Bett steht in der Besenkammer

Franzisco und Maria sind zwei von hundert Flüchtlingen, die als Kinder allein nach Berlin kamen. Inzwischen sind sie erwachsen und warten noch immer auf ein Bleiberecht. Bei einer Altfallregelung wurden sie vergessen. Nun organisieren sie sich nach dem Vorbild französischer Gruppen  ■ Von Marina Mai

Franzisko ist froh über seinen Abschluß als Metallbauer. Wie vieles in seinem Leben hat er sich auch seine Ausbildung hart erkämpft. Mit zwei Jahren verlor der Angolaner seine Eltern. Irgendwie wurde er dann von anderen Familien mit durchgeschleppt. Dann verdiente er seinen Lebensunterhalt durch das Knüpfen von Fischernetzen, ging sogar einige Jahre zur Schule. Doch das Leben als Straßenjunge im Bürgerkriegsland war gefährlich, Franzisco wollte weg.

Mit 14 hatte er das Geld für ein Flugticket in die DDR zusammengespart. Das war Anfang 1990. Damals bot das sozialistische Bruderland mit den schon offenen Grenzen dem Jungen eine Fluchtchance. Im Westen Berlins stellte er einen Asylantrag. Es folgte der Weg durch die Instanzen.

Franzisco lebte zuerst in einem Kinderheim, dann in einer betreuten Wohngruppe. Dort flog er raus, als er volljährig wurde. Sein Ausbildungsbetrieb stellte ihm ein Bett in einer Besenkammer zur Verfügung. Die ist seit drei Jahren sein Zuhause. Seit ein paar Monaten hat Franzisco die Ausbildung beendet, eine Arbeit findet er nicht. Denn eine Arbeitserlaubnis bekommt der Junge, dessen Asylverfahren noch läuft, nicht.

Einmal hatte Franzisco eine Freundin. Als diese am Wochenende mit ihm zu ihren Verwandten nach Bayern fahren wollte, gab Franzisco vor, krank zu sein. Denn um Berlin verlassen zu dürfen, braucht er eine Genehmigung der Ausländerbehörde. Einen Aufenthaltstitel zu haben, das wäre für Franzisco wie ein Traum.

Zusammen mit anderen Flüchtlingen, die als Minderjährige ohne Familienangehörige nach Berlin kamen, hat Franzisco eine Selbsthilfegruppe gegründet. Unter dem Dach des Flüchtlingsrates treffen sich vierzig junge Leute, die inzwischen erwachsen sind und auf ein Aufenthaltsrecht warten. Vor drei Jahren hatte die Innenministerkonferenz in einer „Altfallregelung“ denjenigen Asylsuchenden ein humanitäres Bleiberecht zugesprochen, die vor dem 1.6.1990 als Familien nach Deutschland kamen. Unbegleitete Minderjährige wurden bei der Regelung vergessen. Dennoch hätten die Berliner Behörden die Möglichkeit, den jungen Erwachsenen nach Einzelfallprüfungen ein Bleiberecht zu gewähren. Doch im Gegensatz zu anderen Bundesländern nutzt die hiesige Ausländerbehörde diesen Spielraum nicht.

Zu Franziscos Selbsthilfegruppe gehört auch Maria*. „Ich träume deutsch, ich esse deutsch, aber hier leben darf ich nicht“, beklagt sie. Die 23jährige Restaurantfacharbeiterin, die als Waise aufwuchs, kam mit 16 Jahren von Äthopien nach Berlin. Im Dezember wurde ihr Asylantrag abgelehnt. „Dem Richter hat es richtig leid getan“, sagt sie. „Er empfahl mir, ein humanitäres Aufenthaltsrecht zu beantragen.“ Doch die Ausländerbehörde spielte da nicht mit. „Ich würde lieber sterben, als nach Äthiopien zurückzukehren“, sagt Maria. „Dort kenne ich niemanden mehr.“ Zudem habe sie Angst vor einer Genitalverstümmelung und davor, ihren Lebensunterhalt erbetteln zu müssen. Den Weg zur Ausländerbehörde geht Maria jetzt gemeinsam mit Leuten der Betroffenengruppe. „Ich werde von der Sachbearbeiterin beleidigt, sie läßt mich spüren, daß ich ihr ausgeliefert bin“, beklagt die junge Äthopierin. „In Begleitung ertrage ich das besser.“

Die jungen Flüchtlinge organisieren sich nach dem Vorbild ihrer Schicksalsgenossen, den Sans Papiers, den Papierlosen in Frankreich. In der Gruppe können sie über Zukunftsängste und Lebensentwürfe sprechen. „Scheinehen kommen für uns ebensowenig in Frage wie eine echte Familiengründung“, erklärt Maria entschieden. Das würde die Lebenslüge nur vergrößern und schaffe neue Belastungen. „Würde ich ein Kind bekommen, müßte es mich jedes halbe Jahr zur Ausländerbehörde begleiten.“ Franzisco hält eine Eheschließung auch aus ganz praktischen Gründen für unrealistisch. „Um heiraten zu dürfen, brauchte ich eine Geburtsurkunde“, sagt er. „Ich kenne aber in Angola niemanden, der die für mich besorgen könnte.“

Die vierzig jungen Erwachsenen waren schon bei der SPD, der PDS und den Bündnisgrünen, haben bei den beiden großen Kirchen Klinken geputzt. Denn ihr Aufenthaltsrecht wollen sie ganz legal durchsetzen. Dabei unterstützt sie seit langem der Flüchtlingsrat. Dieser fordert für sie und 60 weitere Flüchtlinge, die als Minderjährige unbegleitet nach Berlin gekommen und inzwischen hier heimisch geworden sind, ein humanitäres Bleiberecht. Die Bündnisgrünen haben jüngst im Abgeordnetenhaus einen Antrag gestellt, der den Innensenator verpflichten soll, sich in der Innenministerkonferenz für eine Altfallregelung für diese Gruppe stark zu machen. Doch schon diesen Antrag hält Eckhardt Barthel für unrealistisch. Barthel: „Die Altfallregelung von 1996 war ein Kompromiß, an dem es nichts mehr zu ändern gibt.“

* Name von der Red. geändert