SPD: Kein Vertrauensbeweis

■ Parlament debattiert heute über Verfassungsschutzaffäre. SPD will Mißtrauensantrag gegen Innensenator Schönbohm nicht zustimmen. PDS beantragt Mißbilligung des Innensenators

Die Affäre um die Beschäftigung von ehemaligen Stasi-Spitzeln beim Verfassungsschutz wird heute das Abgeordnetenhaus beschäftigten. Auf Antrag von Grünen und PDS debattiert das Parlament in der Aktuellen Stunde über die Versäumnisse von Innensenator Jörg Schönbohm (CDU). Die Grünen haben einen Mißtrauensantrag gegen den Innensenator eingebracht. Schönbohm habe im Fall des leitenden Polizeibeamten Otto D., der aufgrund der Aussage eines V-Manns und früheren Stasi- Spitzels als Scientology-Mitglied eingestuft worden war, seine Amtspflichten schwerwiegend verletzt. Schönbohm habe „zu keinem Zeitpunkt dafür gesorgt, daß mit der notwendigen Sorgfalt gearbeitet“ werde. So habe er die angeblichen Beweise, die zu der Beschuldigung des Polizeibeamten führten, nicht selbst auf ihr Zustandekommen und ihre Tragfähigkeit hin geprüft. Der Innensenator habe zum Zeitpunkt der Ermittlungen gewußt, daß der V-Mann ein ehemaliger Stasi-Spitzel ist.

Über den Mißtrauensantrag der Grünen wird das Parlament bei einer Sondersitzung des Parlaments am Samstag entscheiden. Ob über den Mißbilligungsantrag der PDS schon heute abgestimmt wird, stand gestern noch nicht fest. Während einzelne SPD-Abgeordnete einem Mißbilligungsantrag möglicherweise zustimmen werden, findet der Mißtrauensantrag in der SPD keine Unterstützung, da er einem Abwahlantrag von Innensenator Jörg Schönbohm gleichkäme. Dies wäre das Ende der Großen Koalition. SPD-Fraktionschef Klaus Böger stellte gestern aber zugleich klar: „Die Ablehnung des Mißtrauensantrags bedeutet keinen Vertrauensbeweis für Schönbohm.“

Die SPD-Fraktion erwartet vom Innensenator eine zügige Reform des Landesamtes für Verfassungsschutz und hat dazu ein Positionspapier vorgelegt. Der innenpolitische Sprecher der SPD, Hans-Georg Lorenz, fordert, daß eine Kommission unabhängiger Fachleute an der Umstrukturierung des Verfassungsschutzes beteiligt wird. Die Erfahrung der letzten drei Jahrzehnte zeige, daß das Landesamt zur Selbstreinigung nicht in der Lage sei und jeder interne Reformversuch durch das Landesamt selbst oder die Fachaufsicht scheitere.

Die SPD fordert auch die Einrichtung einer Kontrollinstanz, die die Glaubwürdigkeit von V-Leuten und der durch sie gewonnenen Informationen kritisch prüft. Außerdem soll für Mitarbeiter, die Nachrichten beschaffen und bewerten, eine Rotation eingeführt werden. Dieser Vorschlag war bereits im Boeden-Gutachten gemacht worden, das 1992 im Verfassungsschutzausschuß beschlossen wurde. Die grüne Abgeordnete Renate Künast warf der SPD vor, daß sie sich leider erst jetzt wieder an all die alten Forderungen erinnere, die von CDU-Innensenatoren nicht umgesetzt worden seien. Dorothee Winden