Durchs wunderbare Dröhnland
: Das wäre doch nicht nötig gewesen

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Reichlich Erfahrung gesammelt haben sie in diversen Berliner Punk- und Hardcore-Bands. Was sie dort nie geschafft haben, über den lokalen Kultstatus hinauszukommen, soll nun mit dem aussagekräftigen Namen Real und gut abgehangenen Melodycore erreicht werden. Mit ebenso breiten wie gemütlichen Gitarren, der Geschwindigkeit im mittleren Bereich und vor allem ein paar freundlichen Melodien gerät der Versuch zwar des öfteren mal zum Ohrensessel-Core und ist näher dran am Mainstream-Rock als an der eigenen Vergangenheit, aber was sie spielen, das spielen sie fast schon unglaublich gut.

Bei Clubs United mit Brainwave, Hasret, Scattergun und Vice Squad, 19.9., ab 20 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190

Die Kraftwerk-Wiedervereinigung für ein paar wenige Auftritte wäre wirklich nicht nötig gewesen. Es gibt doch Komputer. Nicht nur die Geräte, sondern auch die Band. Das Trio stammt zwar aus London, das „K“ aber hat man mit Bedacht gewählt. Denn die klaren, einfachen Klänge der frühen Synthesizer- Pioniere haben es ihnen angetan. Das, was Kraftwerk und Kollegen aus im Vergleich zum heutigen Stand der Technik antiquarischer Elektrik kitzelten, klang damals nach Science-fiction und hört sich heute zum Teil wie Kleinkinderkram an.

Komputer haben allerdings ihr Debut „The World of Tomorrow“ getauft und reichern das typische Piepsen und die manchmal arg flachen Beats durchaus mit moderneren Klängen an, die sich allerdings bedingungslos unterordnen unter ein Konzept, das mit „Zurück in die Zukunft“ durchaus treffend umschrieben ist. Der explizite Rückgriff auf Can oder Stockhausen ist doch vor allem ein naives Wiedererleben der Fortschrittsgläubigkeit der frühen 70er Jahre. Aber trotz allem ironischen Augenzwinkern zwischen dem Synthiegeklöppel, ein Song wie „Bill Gates“ hört sich locker so an, als sei er mitten in den tiefsten 70ern in einer Düsseldorfer Altbauküche aufgenommen, dort verstaubt und vergessen und kürzlich zufällig wiederentdeckt worden. Die Stimmen verfremden sie gerne: Mal hören sie sich an wie durch ein Megaphon, mal haben sie auch nur einfach diesen sanften, schwer zu definierenden, muffigen 80er-Jahre-Klang nach zuviel mieser Elektrik. Einer ihrer Songs heißt „The Perfect Pop Band“ und irgendwie ist da was dran. Hört man Komputer so zu, erinnert das nicht nur an Kraftwerk, sondern halt auch an Tangerine Dream. Das mag unvermeidlich sein und in der Natur der Sache liegen, aber, Hand aufs Herz, haben wir das wirklich so gewollt?

21.9., 22 Uhr, Tacheles, Oranienburger Straße 53-56, Mitte

Mit dem Titel „Nie mehr Lovesongs“ beginnt „Was besonderes“, die letzte Platte von Such A Surge. Programmatisch ist das von den Braunschweigern nicht gemeint, Liebe im weitesten Sinne wird hier durchaus verhandelt. So ein richtig schönes Liebeslied gibt es natürlich trotzdem nicht. Das hielt das Publikum nicht davon ab, die Single „Jetzt ist gut“, eine der fiesesten Beziehungsabrechnungen, die jemals vertont wurden, hoch in die Charts zu hieven. Die Band selbst turnte dazu auf VIVA und MTV rum und tat samt den Interviewern so, als würde irgend jemanden tatsächlich der Zustand des deutschen Crossover interessieren. Um den sieht es momentan immerhin so gut aus, daß Such A Surge groß genug sind, sich ausländische Vorgruppen leisten zu können: Bullyrag aus Liverpool versuchen sich an einer Reinkarnation der Bad Brains, auch wenn sie im Vergleich zu denen den Metal zurückgeschraubt haben. Statt dessen ist bei ihnen der Reggae eindeutig die Grundlage, ohne daß sie auf ein wenig indisches Gezirpe von Zeit zu Zeit würden verzichten wollen. Bif wiederum entgeht nur ganz haarscharf der Mainstream-Falle. Nicht wegen der Musik, denn die ist Durchschnitts-Rock, sondern vor allem mit den hübschen Tätowierungen und Piercings der in den USA aufgewachsenen Inderin, die früher als Bif Naked firmierte.

22.9., 20.30 Uhr, SO 36

Manchmal könnte man meinen, die traurigen Reste von Grunge hätten sich aus Seattle nach Koblenz geflüchtet. Dort haben sie sich unauffällige deutsche Namen gegeben und heißen jetzt Michael und anders, veranstalten aber noch immer denselben sehnsüchtigen Jungskram mit großer Pose. Oder vielleicht haben sie auch den Mittleren Westen in Rheinland-Pfalz umbenannt und ein Garagen-Wiederaufbauprogramm gestartet. Die Bands nennen sich Blackmail oder auch Scumbucket und interessieren eigentlich niemand. All das wäre nun keine Sensation, aber es entstehen halt auch in totsterbenstoten Genres öfter mal Platten, die es wert sind. So wie „Batuu“ von Scumbucket. Die muß man nicht unbedingt hören, aber wenn man sie hört, kann sie einem den Glauben an die elektrische Gitarre wiedergeben. Ohne daß sie sich dabei auch nur im mindesten um aktuelle Entwicklungen scheren würde. Scumbucket sinds zufrieden und versuchen sich weiterhin fröhlich daran, einen noch breiteren Gitarrensound hinzukriegen. Der bisherige geht schon problemlos vom linken bis zum rechten Ohr. Wo eigentlich ist Chris Cornell seit dem Ende von Soundgarden zum letzten Mal gesehen worden?

24.9., 22 Uhr, Wiener Straße 20, Kreuzberg

Rock'n'Roll soll ja, so geht die Legende, mal eine ziemlich euphorische, ekstatische und manchmal sogar überaus wilde Angelegenheit gewesen sein. Wenn das tatsächlich so war, kommen Groop Dogdrill dem wohl noch halbwegs nahe. Das englische Trio braucht nicht mehr als die Grundausstattung aus Gitarre, Baß und Schlagzeug, um den Blues zu retten, Garagenpunk wiederzuerwecken, Rockabilly eine letzte unverdiente Chance zu verschaffen und überhaupt alles richtig zu machen. Sie haben Songs mit klasse Melodien, ohne daß sich da irgendwas anbiedern würde, und sie sehen sogar in Unterhemden gut aus. Sie rocken, so wie alle anderen auch rocken. Aber der eine kann's, der andere eben nicht. Zu denen, dies können, gehören Jon Spencer oder Rocket from the Crypt und eben auch Groop Dogdrill. Die sind wahrscheinlich die letzte Band auf diesem Planeten, die noch mit Bier rumspritzen könnte, ohne daß es peinlich werden würde. Aber fragt mich nicht, wie sowas heutzutage noch vor sich gehen kann.

24.9., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg Thomas Winkler