Sozialamtsbesuch mit Folgen

■ Ein Deutschägypter, der mit Polizeigewalt aus dem Sozialamt Kreuzberg entfernt wurde, ist seit neun Tagen im Urban-Krankenhaus im Hungerstreik, um auf seinen Fall aufmerksam zu machen.

Seine Augen sind blaugeschlagen, die Nase durch Schläge krumm, und über einer Augenbraue trägt er ein Pflaster. Mamdouh Marei wurde nach eigenen Angaben von zwei Polizisten so zugerichtet, als sie ihn aus dem Sozialamt Kreuzberg entfernten. Um auf sein Schicksal aufmerksam zu machen, befindet sich der 39jährige seit Mittwoch vergangener Woche im Kreuzberger Urban- Krankenhaus im Hungerstreik. Der Deutschägypter leidet unter starken Kopf- und Hüftschmerzen und unter einem Angsttrauma.

Mamdouh Marei war am 7. September zu einem Termin im Kreuzberger Sozialamt mit einer Stunde Verspätung eingetroffen und beharrte dennoch auf einer Bescheinigung, die er für den Sozialpsychiatrischen Dienst brauchte, bei dem er in Behandlung ist. Als er nicht gehen wollte, erzählt er, habe sein Sachbearbeiter die Polizei wegen Hausfriedensbruch gerufen. Zwei Beamte hätten ihm dann „auf sehr rohe Weise“ Handschellen angelegt und in den Hüftbereich getreten. Als er sich „zum Schutz“ auf den Boden habe fallenlassen, sei er an den Händen zum Fahrstuhl geschleift worden. Mit Hilferufen habe er versucht auf sich aufmerksam zu machen. Das bestätigte eine Sozialamtsmitarbeiterin, die Marei in Handschellen auf dem Boden gesehen hat, gegenüber der taz. Im Fahrstuhl, so Marei weiter, habe ihn ein Beamter festgehalten, während der andere ihm mehrere Male „wie ein Boxer“ ins Gesicht geschlagen habe. Dabei platzte die linke Augenbraue, ein Zahn und eine Gebißteilprothese gingen zu Bruch und das Nasenbein wurde gebrochen. Als ihm einer der Beamten den Daumen umbog, hätte er sinngemäß gesagt: „Dir wird noch mehr weh tun“ und: „Zehnmal müssen wir in der Woche wegen solchen Typen wie dir ausrücken.“ Erst als sich die Fahrstuhltür im Erdgeschoß öffnete, hätten die Beamten von ihm abgelassen. Vom Revier in der Friedrichstraße wurde Marei ins Urban-Krankenhaus gebracht und behandelt. Am Abend erstattete er Anzeige wegen Körperverletzung im Amt – just auf dem Abschnitt, aus dem die angezeigten Polizisten kamen. Die Beamten erstatteten ihrerseits Anzeige wegen Hausfriedensbruchs und Widerstandes.

Die Sozialstadträtin von Kreuzberg, Ingeborg Junge-Reyer (SPD), wußte bis gestern nichts von dem Fall. Es käme aber durchaus vor, daß gewalttätige Besucher mit Polizeihilfe entfernt werden müßten, sagte sie. Marei, der an der Humboldt-Universität eine „AG Gandhi“ leitet und als Ausländerreferent in der Studentenvertretung als „besonnen“ bekannt ist, betont, nur „passiv“ auf seinem Stuhl sitzen geblieben zu sei. Auf Anraten seiner Hausärztin wurde er nach dem Vorfall wieder ins Urban-Krankenhaus überwiesen, auf eigenen Wunsch in die offene psychiatrische Station. Er leidet nach zwei Verhaftungen 1995 an einem Trauma – Angst vor der Polizei –, die ihn offenbar für einen illegalen Asylbewerber hielt. Er lebt seit 1980 in der Bundesrepublik und ist deutscher Staatsbürger.

Mit dem Hungerstreik will er erreichen, daß sein Fall „ernst genommen“ wird. Als „Querulant“ will er aber nicht erscheinen. Er will seinen Protest abbrechen, wenn es „keinen Sinn macht, mit dem Kopf durch die Wand zu rennen, wenn dabei nur der Kopf kaputtgeht“. Holger Kulick