■ Kommentar
: Auf Bewährung

Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) kann von Glück reden, daß die Verfassungsschutzaffäre ihren Höhepunkt zwei Wochen vor der Bundestagswahl erreichte. Die SPD muß Rücksicht auf den Koalitionspartner nehmen, sonst wären die Reaktionen gestern deutlicher ausgefallen. Zu einem anderen Zeitpunkt wäre zumindest vorstellbar gewesen, daß ein Teil der SPD-Abgeordneten für den Mißbilligungsantrag gestimmt hätte. Das wäre immerhin eine Rüge gewesen, auch wenn daraus keine unmittelbaren Konsequenzen erwachsen. So aber vollführte die SPD in den letzten Tagen einen Eiertanz: Den Mißtrauensantrag gegen den Senator will – und kann – sie nicht unterstützen. Doch dies, so hieß es, sei kein Vertrauensbeweis in seine Amtsführung. Bewußt redeten in der gestrigen Parlamentssitzung nicht die Fraktionschefs von SPD und CDU, die ganze Affäre wurde eine Ebene tiefer gehängt. Dennoch hat die SPD eine deutliche Drohung ausgesprochen: Wenn Schönbohm den Verfassungsschutz nicht schnellstens in den Griff bekommt, will sie über Konsequenzen nachdenken.

Insgeheim werden sich auch Diepgen und Landowsky die Hände reiben. Den Innensenator hatten die Diepgen-Kritiker der Union 2000 zu ihrem Hoffnungsträger auserkoren. Der starke Mann aus Bonn gewann parteiintern schnell an Popularität und entwickelte sich zum potentiellen Rivalen Diepgens. Noch läßt sich nicht abschätzen, wie sehr Schönbohm die Affäre parteiintern geschadet hat. Fest steht, daß spätestens jetzt seine Vorschußlorbeeren verbraucht sind. Der Glanz des Generals ist verblichen. Nun muß er die Bewährungsfrist der SPD bestehen. Dorothee Winden