Danke (14)
: Transrapid, Pizza, Sex

■ Von Amerika lernen? Über verschiedene Methoden, die Wahlen zu gewinnen

Wahlen sind eine ernsthafte Angelegenheit. Damit ist nicht zu spaßen. Völlig verständlich sind daher die Beschwerden, die an die Redaktion der Danke- Kolumne herangetragen werden. Hier an dieser Stelle gehe es zu lustig zu, wird kritisiert. Alles drehe sich immer nur um Kohl und Schröder, um Naßrasierer und Frauenhelden.

Dabei geht es gerade bei dieser Wahl um so vieles. Transrapid, Ökosteuer, Krankenkassenstrukturüberleitungsgesetz. Und keines der Wörter ist in dieser Kolumne auch nur ein einziges Mal erwähnt worden.

Schluß damit! Sprechen wir sie aus: Transrapid! Ökosteuer! Reform des Krankenkassenstrukturüberleitungsgesetzes!

Noch mehr davon? Teilhabegesellschaft! Tobin-Steuer! Doppelte Staatsbürgerschaft! Dreifacher Rittberger!

Vergessen wir nie die zentralen Begriffe dieser Bundestagswahl! Laßt sie uns gemeinsam aufsagen! Helfen wir auf diesem Wege mit, daß es zu einem rot- grünen Wechsel kommt! Castor-Transport! Wirtschaftsstandort! Claudia Nolte!

Andererseits: Das am häufigsten gebrauchte Wort im Starr- Report war „sexuell“. 406 Nennungen auf 445 Seiten. Auf Platz zwei kam „Sex“, 164mal verwendet. „Pizza“ kam immerhin 20mal vor. Die Republikaner werden damit die nächsten Wahlen gewinnen. Sollten wir daraus nicht Lehren ziehen?

Der erste Hinweis auf Sex im Leben Helmut Kohls stammt aus dem Jahre 1947. Im Auftrag der Klasse stellte der 17jährige Schüler Helmut seinem Religionslehrer die Frage, wie die katholische Kirche über die Sexualität bei Schülern denke und was er als Lehrer dazu sage. Die Antwort ist nicht überliefert – weitere Hinweise auf Sex und Kohl allerdings auch nicht.

Aber egal. Auch in harmlosen Geschichten kann politischer Sprengstoff stecken. Bekannt ist zum Beispiel, daß der Gymnasiast Kohl in seinem letzten Schuljahr vor dem Abitur beim Tanzen im Gasthof „Im Weinberg“ das blonde, vorwitzige Flüchtlingskind Hannelore Renner kennenlernte und sich in sie verliebte. Er war 18, sie drei Jahre jünger. Hannelore erinnert sich, daß er „ein selten flotter Tänzer“ gewesen sei. Wegen seiner pechschwarzen Haare nannte sie ihn „meinen italienischen Eisverkäufer“.

Kohls Jugendfreund Karl- Otto Freisberg berichtet, daß Helmut ein „besonders guter Rock 'n' Roll-Tänzer“ gewesen sei. Er habe „die richtige Schlaksigkeit“ gehabt und sei „unterhalb der Knie besonders gelenkig gewesen“.

Hey, ihr Strategen in der Kampa, ist das nichts für euch? Gelenkig unterhalb der Knie! Macht was draus! Vergeßt Claudia Nolte, vergeßt den Transrapid! Überprüft lieber, ob Kohl Zigarren raucht. Von Amerika lernen heißt siegen lernen. Jens König

Der Autor ist Ressortleiter Inland der taz