Grüne klären Entsorgungsfrage

Endlagern von Atommüll ist billiger, besser und ungefährlicher als Wiederaufbereitung, ist das Ergebnis einer Studie im Auftrag der Hamburger Grünen  ■ Aus Hamburg Heike Haarhoff

Die Wiederaufarbeitung von deutschem Atommüll im Ausland muß beendet werden. Statt dessen sollte für abgebrannte Brennelemente aus Atomkraftwerken wie Krümmel und Brokdorf, Gundremmingen oder Grohnde eine „innerstaatliche Lösung“ gefunden werden. Aus „ökonomischen Gründen“ wird eine „direkte Endlagerung“ in dezentralen Lagern befürwortet. Und: Die Anlage zur Verglasung hochradioaktiven flüssigen Abfalls, die auf dem Gelände des Forschungszentrums Karlsruhe geplant ist, sollte so ausgebaut werden, daß dort der hochgefährliche Atombomben-Baustoff Plutonium immobilisiert werden könnte und damit für militärische Zwecke unbrauchbar würde.

Diese Forderungen erhebt nicht etwa die Atomwirtschaft oder das Bundesumweltministerium, sondern eine Studie „Plutonium – Möglichkeit zum Ausstieg aus der Wiederaufarbeitung“, die die Hamburger Grünen in Auftrag gegeben und gestern vorgestellt haben.

Exemplarisch für die beiden norddeutschen AKWs Krümmel und Brunsbüttel, die der Energieversorger Hamburgische Electricitätswerke (HEW) betreibt, wurden Alternativen zum geplanten Einsatz der umstrittenen Plutonium-Mischoxid-Brennelemente (MOX) untersucht.

Unter Federführung des Hamburger Energieexperten Dirk Seifert wollten die Autoren klären, wie Atommüll am ökologisch sinnvollsten und ökonomisch günstigsten behandelt werden sollte. Ergebnis: Verzicht auf Wiederaufarbeitung und damit auf die Produktion von MOX-Brennelementen zugunsten der direkten Endlagerung. Die Grünen-Studie liefert damit nicht nur interessante Wirtschaftsberechnungen, sondern auch politischen Sprengstoff: Sie setzt sich über den jahrzehntealten Konsens der Anti-AKW-Bewegung hinweg, daß die leidige Entsorgungsfrage die AKW-Betreiber gefälligst selbst lösen und die Atomkritiker sich erst einmischen sollten, wenn der Ausstieg da sei.

Jährlich, so die Studie, fallen in den 19 bundesdeutschen AKWs rund 450 bis 500 Tonnen verbrauchter Brennelemente an. Der Löwenanteil wird in die Wiederaufarbeitungsanlagen (WAA) im britischen Sellafield und im französischen La Hague transportiert: „Doch was so harmlos nach Recycling klingt, stellt eine der größten atomaren Bedrohungen in Europa dar.“ Denn zunächst werde die strahlende Fracht quer durch Europa gekarrt. In den WAA dann werde das neu in den Brennstäben entstandene Plutonium herausgetrennt. Ursprünglich wurde diese Technik zu militärischen Zwecken entwickelt, später wollte man das wiedergewonnene Plutonium zur „zivilen Nutzung“ in schnellen Brütern (Kalkar) erneut als Brennstoff einsetzen. Doch nach dem Ende der Schnellen-Brüter- Technologie in Europa kann man mit dem krebserregenden Plutonium nur eins anfangen: MOX- Brennelemente herstellen, die wegen höherer Sicherheitsanforderungen bei der Herstellung deutlich teurer als herkömmliche Uranbrennelemente sind.

In den WAA entsteht neben großen Mengen Plutonium und Uran zusätzlicher Atommüll, der ebenfalls endgelagert werden muß. „Die absoluten Atommüllmengen steigen durch die WAA um das bis zu 20fache an.“ Damit nicht genug: Die Wiederaufarbeitung pro Tonne Atommüll sei um eine Million Mark teurer als die „direkte Endlagerung“, die laut Atomgesetz ebenfalls als „Entsorgungsnachweis“ anerkannt werde und bei der abgetrenntes Plutonium erst gar nicht anfalle.

Allein die HEW, rechnete Seifert aus, könnten bis zu 349 Millionen Mark sparen, wenn sie die Wiederaufarbeitungsverträge für ihre beiden Atommeiler sofort kündigten – obwohl sie dann eine Vertragsstrafe bezahlen und bis zum Abschalten der AKWs zusätzliche Uranbrennelemente kaufen müßten.

„Allein aus politischen Gründen“ aber – die Suche nach dezentralen Endlagern in Deutschland hätte vermutlich wochenlange Straßenblockaden zur Folge – hielten die AKW-Betreiber an den Transporten ins Ausland fest.

Doch selbst wenn die Wiederaufarbeitung gestoppt würde – was tun mit dem bereits entstandenen flüssigen Plutonium? „Technisch“, so die Studie, könnte dieses zusammen mit anderen hochradioaktiven flüssigen Atomabfällen vermischt und anschließend verglast werden. Der Vorteil: Die entstehenden „Glaskokillen“ könnten, in Castoren verpackt, dauerhaft endgelagert werden und das Plutonium wäre so gut gebunden, daß eine nachträgliche Heraustrennung praktisch unmöglich wäre.