Wer ist eigentlich ALDI?

Gesichter der Großstadt: Mark Albrecht hat sich mit seinem Künstlernamen, den er sich patentrechtlich schützen ließ, eine Klage der Discount-Brüder Aldi eingehandelt  ■ Von Barbara Bollmann

Mark Albrecht hat bekannte Namensvettern. Der 29jährige hat den gleichen Familiennamen wie die beiden Aldi-Brüder Karl und Theo Albrecht, die mit „guten Qualitäten zu günstigen Preisen“ jährlich über 20 Milliarden Mark verdienen. So weit, so gut. Albrechts gibt es schließlich viele auf der Welt. Wenn da nicht die Sache mit Mark Albrechts Spitznamen wäre.

Als 15jähriger bekam er von einem Mitschüler – der „Hertie“ genannt wurde – den Spitznamen „Aldi“ verpaßt. Den hat er mittlerweile nicht nur in seinen Paß und Personalausweis, sondern auch beim Berufsverband Bildender Künstler eintragen lassen und verwendet ihn für eine Porträtserie, die als Gratispostkarten mit dem Schriftzug „ALDI“ in Kneipen in mehreren deutschen Städten kostenlos ausliegen.

Deshalb hat Mark Albrecht jetzt ein Problem mit seinen Namensvettern. Die „Aldi“-Brüder haben vor wenigen Wochen beim Landgericht Klage gegen ihn eingereicht. Sie verlangen, daß er seinen Markeneintrag „ALDI“ beim Patenamt löscht und in keinster Weise mehr verwendet.

Mark Albrecht hat sich die Suppe, von der er jetzt nicht weiß, wie er sie auslöffeln soll, selbst eingebrockt. Kein anderer als er hat einen der Aldi-Brüder von seiner Markenanmeldung mit einem Brief in Kenntnis gesetzt. „Ich hatte Schiß, verklagt zu werden“, begründet er seine Kontaktaufnahme mit den Discountern. Trotzdem schreibt er, daß er „eine Problematik für Ihre Firma“ nicht erkennen kann. „Sie verkaufen billige Massenprodukte an die breite Masse, ich verkaufe teure Unikate an eine kleine Elite.“

Mark Albrecht hat im Sommer dieses Jahres in einem gemieteten Raum in der Auguststraße in Mitte einen Werkzyklus „SIE“ ausgestellt. Der Zyklus besteht aus neun Porträts über eine Prostituierte aus der Oranienburger Straße, die er vor einigen Jahren regelmäßig getroffen hat, hergestellt aus Textfragmenten, dem Wort „SIE“ und „ALDI“ in dicken schwarzen Buchstaben. Auf die Motive, die in Auflagen zwischen 16.000 und 250.000 verteilt wurden, ist Mark Albrecht stolz.

Stolz sollen auch die Aldi-Brüder sein – auf ihn. „Ich denke, Sie werden in zehn Jahren stolz darauf sein, daß ich den Namen ALDI trage“, schrieb er ihnen verwegen. Er versicherte ihnen, „die beste Werbeaktion“ zu sein, die sie sich denken könnten. Ein Angebot, das die Aldi-Brüder amüsant finden müssen. Werbung ist nun etwas, was sie weiß Gott nicht brauchen. Bundesweit haben sie 2.300 Filialen, und man kann wohl sagen, daß jedes Kind sie kennt.

Das größte Problem hat Mark Albrecht mit sich selbst. Zur Zeit lebt er das, was er bisher nur in seiner Kunst lebte. Die „Spannung zwischen innerer Distanziertheit und persönlichem Konflikt“, wie er es nennt. Der 29jährige aus dem Ruhrgebiet, der vor sechs Jahren nach Berlin kam, hat Angst. Angst vor der Klage, Angst vor dubiosen Anwälten, Angst davor, „verarscht“ zu werden.

Mark Albrecht wirkt so, wie jemand, mit dem irgend etwas nicht stimmt. Dann sagt er selbst, was es ist: „Es spricht für den Patienten, wenn er zugibt, paranoid zu sein.“ Mark Albrecht weiß, daß er seinen größten Wunsch, eine Familie, mit seinen derzeitigen Problemen nicht verwirklichen kann. Ja, sagt er, er fühlt sich verfolgt. Aus diesem Grund ist er auch aus einer Wohnung in Mitte weggezogen. Jetzt wohnt er in einem Studentenwohnheim in Tiergarten.

Seit drei Jahren studiert Mark Albrecht Zahnmedizin. Doch nur unregelmäßig geht er zur Uni. Zahnarzt will er später sowieso nicht werden. „Das Studium ist der beste Bildhauerkurs“, schwärmt er. „Die haben Supermaterialien, und man muß supergenau arbeiten.“ Bildhauerei, Anatomie und seine Kunst interessieren ihn, nicht die Uni.

Er will seine Porträtserie forsetzen. Weit gekommen ist er noch nicht. Er bekam eine Absage nach der anderen. Das ist allerdings wenig verwunderlich. Seine Porträtwünsche richtete er unter anderem an den CIA-Chef, den ehemaligen Dekan der Charité, den Siemens- Vorstandsvorsitzenden und Wirtschaftsminister Günter Rexrodt.

Von Altbundeskanzler Schmidt erhielt er zumindest ein Schreiben mit besten Erfolgswünschen. Was ihn an diesen Leuten reizt? „Ab einer gewissen Position wird mit dem Privatleben gespielt“, sagt er. Um die Politiker und Manager, die er angeschrieben hat, für sein Projekt zu gewinnen, hat er geschrieben: „Es lohnt sich, mich zu kennen.“

Wer zum Teufel ist „ALDI“?