Bonn und die „Leuchttürme“

Obwohl der Hauptstadtkulturfonds bis 1999 läuft, werden nach den Wahlen die Weichen neu gestellt. Von drei Varianten und einigen Forderungen der SPD berichtet  ■ Ulrich Clewing

Die Berliner Kulturszene hat allen Grund, dem Ausgang der Bundestagswahl am kommenden Sonntag mit Spannung entgegenzusehen. Dabei geht es insbesondere um den derzeit mit 60 Millionen Mark ausgestatteten Hauptstadtkulturfonds. Zwar besitzt die Vereinbarung zwischen Bundesregierung und dem Land über die finanzielle Beteiligung des Bundes an den hauptstädtischen Kulturinstitutionen noch bis Ende nächsten Jahres Gültigkeit. Doch ist damit zu rechnen, daß die Verhandlungen über eine Fortführung dieses Fonds über das Jahr 1999 hinaus unmittelbar nach der Wahl am 27. September neu aufgenommen werden.

Innerhalb der Berliner Regierungskoalition gehen die Vorstellungen über die künftige Verteilung der Gelder weit auseinander. Der amtierende Kultursenator Peter Radunski (CDU) hat drei Varianten in petto.

Die erste lautet: Es bleibt alles mehr oder weniger beim alten. Unterstützt werden sollen demnach die Institutionen, die auch jetzt schon in den Genuß von Mitteln aus dem Hauptstadtkulturfonds kommen. Als da wären die Deutsche Oper, die Staatsoper Unter den Linden, das Deutsche Theater, das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt, das Berliner Philharmonische Orchester sowie das Haus der Kulturen der Welt.

Darüber hinaus soll auch das Prinzip der Projektförderung beibehalten werden, von der 1998 unter anderem das Berliner Theatertreffen, die Berlin Biennale, die Stiftung Deutsche Kinemathek und das Literaturhaus Berlin profitierten.

Die zweite Variante sieht vor, daß der Bund Einrichtungen, die „genuiner Bestandteil des Preußischen Erbes“ sind, wie etwa das Schauspielhaus und die Staatsoper, in Zukunft ganz in seine Zuständigkeit übernimmt und allein finanziert.

Die dritte Möglichkeit, die Radunski vorschwebt, firmierte eine Zeitlang unter dem Signum „Nationaltheater“, wurde inzwischen erweitert und dürfte insgesamt die umstrittenste der drei Varianten sein. Ihr zufolge sollen sich Staatsoper, Komische Oper, Deutsches Theater und Schauspielhaus, außerdem noch das Jüdische Museum, das Deutsche Technik Museum, die Schaubühne, das Berlin Ballett und die Deutsche Kinemathek zu einer „Kulturstiftung Berlin“ zusammenschließen, die das Land Berlin und der Bund gemeinsam unterhalten.

Beim Koalitionspartner SPD stößt vor allem letzterer Vorschlag auf wenig Gegenliebe. So hält Nikolaus Sander, Mitglied des Kulturausschusses im Abgeordnetenhaus, die Idee, für dieses „Sammelsurium“ von Institutionen einen zusätzlichen teuren Verwaltungsappart zu schaffen, für „völlig unsinnig“. Sander will erreichen, daß neun Einrichtungen unterstützt werden, darunter die drei Berliner Opern, das Hebbel-Theater, das Berliner Ensemble, die Philharmonie und die Deutsche Kinemathek. Im Gegensatz zum Status quo soll die Finanzierung langfristig festgelegt werden, und nicht – wie bisher – jährlich neu zur Disposition stehen.

Die wichtigste Forderung der SPD betrifft jedoch die Projektförderung. Sie soll komplett aus dem Hauptstadtkulturfonds herausgenommen und allein von Berlin entschieden werden. An der Höhe der Fördermittel werde sich dadurch laut Sander wenig ändern, der große Vorteil sei hingegen, daß die jeweiligen Projekte mit mehr Kompetenz beurteilt werden könnten.

Auch über die Summe der zur Verfügung stehenden Gelder herrschen unterschiedliche Vorstellungen. Während die CDU in Zukunft mit 100 Millionen Mark vom Bund kalkuliert, verspricht die SPD in Person des designierten „Kulturbeauftragten“ Michael Naumann 120 Millionen Mark, ein Betrag, der im Lauf der Zeit noch auf 150 bis 200 Millionen erhöht werden soll.

Wieviel davon Wahlkampfgeklingel ist, das wird sich in Kürze herausstellen.