CDU rüttelt am Koalitionsfrieden

■ Fraktionschef Landowsky will 1999 verdachtsunabhängige Kontrollen einführen. SPD strikt dagegen: „Macht keinen Sinn mehr“

Gerade erst hatte CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky die Harmonie in der Großen Koalition gelobt, da sorgt er selbst für neuen Zündstoff: Mitte 1999 rechne er mit der Einführung von verdachts- unabhängigen Kontrollen in Berlin, kündigte Landowsky am Wochenende an – und zeigte sich zugleich zuversichtlich, daß auch der Koalitionspartner SPD dem zustimmen werde.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Hans-Georg Lorenz, ging jedoch gegenüber dem Landowsky-Vorstoß auf Distanz. Die Einführung dieser Kontrollen werde die SPD „sicher nicht mitmachen“, meinte er gestern gegenüber der taz.

Die verdachtsunabhängigen Kontrollen – auch Schleierfahndung genannt –, die in Bayern bereits praktiziert werden, erlauben Polizei und Bundesgrenzschutz (BGS), ohne konkreten Verdacht oder Anlaß Personen zu überprüfen. Auch in Leipzig werden inzwischen als gefährlich eingestufte Plätze auf diese Weise beobachtet und kontrolliert.

Schon seit längerem würde Klaus Landowsky gerne verdachtsunabhängige Kontrollen an Kriminalitätsschwerpunkten in Berlin einführen. Bereits in der Vergangenheit hatte die CDU deshalb unter anderem eine Videoüberwachung des Breitscheidplatzes vorgeschlagen. Auch der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Roland Gewalt, hatte sich im Mai für stichprobenartige Überprüfungen auf Autobahnen und überregionalen Straßen ausgesprochen. Das verunsichere die Täter, so Gewalt.

Die SPD lehnt diese Vorschläge laut Lorenz allerdings nach wie vor ab. Seit der BGS die Erlaubnis habe, neben Grenzen auch Bahnhöfe und Flughäfen zu kontrollieren, mache die Schleierfahndung keinen Sinn mehr. Polizisten, die sich mit diesem Thema auseinandersetzten, teilten seine Einschätzung, berichtete Lorenz. Wenn überhaupt kein Anhaltspunkt vorhanden sei, wüßten auch die Polizisten nicht, wen oder was sie kontrollieren sollten.

Hans-Georg Lorenz war der Meinung, daß Landowsky mit seinem Vorpreschen nur von den eigentlichen Problemen der Polizei ablenken wolle. Die personellen Engpässe und die Schwierigkeiten bei der Reform der Polizei in Berlin seien viel wichtiger geworden als das Thema Schleierfahndung. Der Sprecher der SPD-Fraktion, Hans-Peter Stadtmüller, wies außerdem darauf hin, daß die Christdemokraten mit dem Thema Innere Sicherheit verstärkt Wahlkampf machten. Damit erklärte er sich Landowskys Äußerung. Jutta Wagemann