Mister Bean wächst noch

■ Holyfield verteidigt seinen Titel und hofft nun, daß Tyson seine Lizenz zurückerhält

Atlanta (taz) – Evander Holyfield dürfte ziemlich erleichtert ge- wesen sein, als Samstag nacht im Georgia Dome seiner Heimatstadt Atlanta vor 41.000 Zuschauern der letzte Gong erklang und ihm sein unbekannter Widersacher Vaughn Bean doch nicht mehr als ein paar blaue Flecken beigebracht hatte. Man weiß ja nie, ob solch einem Defensivkünstler, der zwölf Runden lang kompromißlos klammert und tapfer einsteckt, nicht doch noch einmal unglücklich die Hand ausrutscht und einen sicheren Punktsieg zunichte macht.

So hat WBA-Titelträger Holyfield auch Weltmeister der IBF bleiben dürfen; trotz heftiger Beschwerden von Bean, dem entgangen zu sein schien, daß Holyfield ihn in der zehnten Runde in den Staub geschickt hatte. „Ich bin ein bißchen aus dem Gleichgewicht geraten“, fand Bean.

Holyfield hat seinem Herausforderer trotzdem zu seinem zähen Widerstand gratuliert („Hut ab, er ist ein Mann“), was für den eigentlich schon Achtungserfolg genug hätte sein müssen, soviel Häme, wie die Presse über ihm ausgeschüttet hatte. „Das Muskelbild einer Aubergine“ habe der 104 Kilo schwere Bean, schrieb zum Beispiel das Lokalblatt Atlanta Constitution. Was Mister Bean (25) so erklärte: „Ich wachse noch.“

Die einseitige Angelegenheit war allerdings für Holyfield kein ergiebiges Geschäft. Er mußte heftig zahlen für die Organisation seines Comebacks nach zehnmonatiger Wettkampfpause, weil er nicht genügend Sponsorengeld auftreiben konnte.

Nur mit einem wie WBC-Titelträger Lennox Lewis als Rivalen hätte er solche Sorgen nicht. Mit dem hat er sich bisher nur deshalb nicht gemessen, weil die beiden bei verschiedenen Fernsehstationen unter Vertrag stehen und sie bei der Kompromißsuche nicht überein kamen. Und schon gar nicht möglich wäre ein Kampf gegen den Frauenvergewaltiger und früheren Weltmeister Mike Tyson. Holyfield vs. Tyson ist nämlich eines der ganz großen Box-Duelle der Gegenwart. Vor allem seit Tyson beim jüngsten Gegeneinader im Juni 1997 Holyfield in die Ohren biß. Allerdings ist genau Tysons Bissigkeit das Problem beim Versuch einer Neuauflage. Wegen der hat Tyson nämlich seine Lizenz entzogen bekommen. Just an diesem Samstag hat er vor dem Sportausschuß des US-Bundesstaates Nevada wieder einmal seine Reue bekundet, um die Richter dort zu erweichen, ihm seine Lizenz zurückzugeben. Ob was daraus wird, erweist sich frühestens am 3. Oktober; bis dahin haben die Ausschußmitglieder die Entscheidung vertagt. Sollte Tyson seine Lizenz nicht wiederbekommen, frohlockt man hierzulande, denn unlizenziert dürfte Tyson trotzdem in Europa boxen. Tyson braucht dringend Geld, und der größte Markt außerhalb der USA liegt in Deutschland. Da wäre selbst ein Gegner wie beispielweise Axel Schulz akzeptabel.

Ähnlich geht es Geschäftsmann Holyfield. Wenn es nach ihm ginge, bekäme Tyson seine Lizenz sofort wieder zurück. Ein beißender Tyson ist ihm lieber als ein klammernder Bean. Denn: „Sein Stil liegt mir.“ Thomas Hahn