Baumann heißt nun Strege

„Ist doch schön“: Leidenschaftslos läuft der Favorit Stephane Franke beim Berlin-Marathon auf einen zwölften Platz  ■ Aus Berlin Tina Hüttl

Die Zeit? „Die ist doch okay.“ Das Gesicht von Stephane Franke sagte etwas anderes. „Wenn ich so zwei Stunden 19 Minuten gelaufen wäre, wäre ich enttäuscht“, sagte der große Favorit des gestrigen Berlin-Marathons, nachdem er als Zwölfter die Ziellinie überquert hat. „Ab Kilometer 25 habe ich tierische Oberschenkelkrämpfe bekommen.“ Ab da war es nur noch „ein Kampf mit mir“. Zwei Plätze vor ihm kam sogar noch Martin Strege als bester Deutscher an. „Ist doch schön“, sagte Franke dazu.

„Jede Sekunde, die ich meine Bestzeit verbessern kann, wäre grandios“, hatte Stephane Franke noch vor wenigen Tagen gesagt – und daran geglaubt. Zwei Stunden, elf Minuten und 28 Sekunden gab es für ihn zu schlagen, und die Bedingungen waren gut. Es sollte das schnellste Rennen aller Zeiten werden. Der brasilianische Sieger Ronaldo Da Costa lief mit 2:06:05 Stunden eine neue Weltbestzeit, aber für den Favoriten Franke leuchtete an der Anzeigetafel im Ziel nur 2:13:58 auf. Frankes Gesicht ließ nichts Gutes erahnen. Statt einem Lächeln der Erleichterung spannte sich die dünne Haut nur noch stärker um die ausgehöhlten Wangen. Natürlich sagte er gleich darauf, daß er stolz sei, durchgekommen zu sein. Aber darum ging es ja nicht. Franke hat seine Bestzeit um zweieinhalb Minuten verfehlt, da mußte er enttäuscht sein.

„Man konnte nicht mehr erwarten“, sagte er. Genau das hatte er aber getan. Franke lief in der Vorbereitung 160, 180 Kilometer pro Woche. Der abgemagerte Körper scheint von den Strapazen der letzten Monate geschrumpft. Vor viereinhalb Wochen bei der EM mußte er die harten 10.000 Meter bestehen, sich dann in kürzester Zeit auf den Marathon umstellen. Das Unmögliche sollte passieren, damit aus dem Mitläufer Franke endlich ein Idol wird. Jahrelang war der Langstrecken-Profi Franke im Schatten seines Kollegen Dieter Baumann gelaufen. Und weil er ihm am dichtesten auf den Fersen war, hat das Verlieren um so mehr geschmerzt. Baumann zu überholen hat er nicht geschafft: Über 5.000 Meter nicht, über 10.000 Meter nur fast. Bei der EM in Budapest lag er zwei Runden lang vorn. Dann hat ihn Baumann doch wieder überholt.

Trotz der EM-Bronze 1994 und EM Bronze 1998 über 10 000 Meter blieb Franke für die Medien der verbissene Arbeiter, Dieter Baumann das Talent. Im Gegensatz zu dem hat Franke jedoch erkannt, daß für ihn mit 34 Jahren auf der Bahn nichts mehr zu holen ist. Aber da sein Ehrgeiz befriedigt werden will, ist für ihn ein Ende im Profisport nicht in Sicht. „Ich will noch zwei bis vier Jahre auf so einem hohen Niveau laufen“, sagt Franke, und er sagt auch: „Weil der Erfolg auf den unteren Strecken ausblieb, wurden sie immer länger. 25 Runden sind nach 30 Minuten vorbei, zwei Stunden sind schon verdammt lang.“ Mit Marathonleidenschaft hat das nicht viel zu tun.

Die besten Chancen rechnete er sich über die 42.195 Meter aus. Als Prüfstein hat er sich den Berlin- Marathon ausgesucht. Und jetzt? „Eine Nacht drüber schlafen“, will er. Und dann was entscheiden? Ob ihm die 10.000 Meter wichtiger sind oder der Marathon. So oder so: Dieter Baumann kann er überall wiedertreffen, der überlegt auch schon seit Jahren, vor der afrikanischen Übermacht auf die längste aller Langstrecken zu flüchten. Bis dahin nimmt Martin Strege Baumanns Platz ein.

Frauen: 1. Renders (Bel) 2:25:26, 2. Chepkemei (Ken) 2:28:18, 3. Kokowska (Pol) 2:31:53, 4. Biba (Frankfurt/Main) 2:32:59

Männer: 1. Da Costa (Brasilien) 2:06:05 Stunden (Weltbestzeit), 2. Kiprono 2:07:26, 3. Kandie 2:09:11, 4. Chebutich (alle Kenia) 2:10:39, ... 10. Strege (Großengottern) 2:12:41, 12. Franke (Berlin) 2:13:58