Das Portrait
: Vorkämpferin für sexuelle Freiheit

■ Demet Demir

Die 37jährige Demet Demir ist als Mann geboren und eine von 2.000 Transvestiten und Transsexuellen in der Türkei. Seit 1988 ist Demir mit ihrem Engagement für das Recht auf sexuelle Freiheit eine Vorkämpferin der türkischen Schwulenbewegung. Sie arbeitet in einer homosexuellen Arbeitsgruppe innerhalb der radikaldemokratischen Grünen Partei und im türkischen Menschenrechtsverein IHD. Für ihre Tätigkeit hat sie 1997 in den USA eine Auszeichnung der Gay and Lesbian Human Rights Commission erhalten. Dies war der bisherige Höhepunkt ihres Kampfes für die Anerkennung auch ihrer eigenen Identität, den sie seit ihrer Kindheit führt. „Schon früh merkte ich, daß ich eine sich von meinem Geschlecht unterscheidende sexuelle Identität hatte.“ Demir war bereits in ihrer Schulzeit politisch aktiv und wurde am 1. Mai 1980 während einer Demonstration wegen ihrer bekannten Homosexualität zum ersten Mal verhaftet. Zwar ist Homosexualität in der Türkei seit 1923 nicht mehr strafbar, die Polizei führt aber ständig Razzien gegen Schwule durch. Nach dem Militärputsch 1980 verschlechterte sich die Situation weiter; Verhaftung und Folter Homosexueller sind bis heute keine Seltenheit.

Demir mußte 1982 für acht Monate ins Gefängnis. Jenes Jahr markiert auch ihre persönliche sexuelle Revolution. Sie unterzog sich einer Geschlechtsumwandlung und lebte fortan als Frau. Die Operation war illegal; erst 1988 wurden Geschlechtsumwandlungen legalisiert und den operierten Transsexuellen außer der Heirat alle Rechte einer Frau zugestanden. In der Praxis bedeutet dies jedoch kein Ende der Schikanen. 1991 wurde sie wieder verhaftet. Ihre Äußerung, daß Homosexualität seit den Zeiten Atatürks nicht mehr bestraft werde, wurde ihr als Beleidigung des Republikgründers ausgelegt. Zwei Monate nach der Preisverleihung 1997 wurde sie erneut verhaftet und gefoltert, als sie die Mißhandlung einer anderen Transsexuellen durch die Polizei verhindern wollte. Ihre Prominenz bietet ihr zwar einen gewissen Schutz, aber sie steht unter permanenter polizeilicher Beobachtung. Doch Demet Demir läßt sich nicht einschüchtern. „Es ist mir egal, ob sie mich töten oder mich wieder ins Gefängnis werfen“, sagt sie. „Ich werde weiterhin für jedes Recht kämpfen.“ Peter Schäfer