Danke (15)
: Die Zone versaut alles

■ Der Osten entscheidet die Bundestagswahl. Schlimmer konnte es nicht kommen

Spaß beiseite: Dies wird eine Haßkolumne. Ich will diese für mich letzte Gelegenheit kurz vor Torschluß nutzen, um einmal alles rauszulassen. Es wird – und zwar massiv – gegen den Osten und gegen die Partei des Demokratischen Sozialismus gehen. Ich bin legitimiert, weil ich aus dem Osten komme und der Westen ja jetzt gerne auf Zuhören macht; außerdem gebe ich hier einen der Quoten-Ostler – obwohl ich auch so manches etwa zur sozialen Situation in Bremen-Gröpelingen oder über die Taktik des FC Bayern in den 70ern sagen könnte.

Wir lesen zu Zeit in jedem Blatt: Der Osten entscheidet die Wahl. Liebe Freundinnen und Freunde jenseits der Elbe, ich sage euch, laßt alle Hoffnungen fahren, das wird nix mit dem Politikwechsel und all den anderen schönen Sachen. Der Osten versaut alles. Der Osten wird entscheidend DVU und PDS wählen; ersteres ist unfaßbar und muß hier gar nicht diskutiert werden, letzteres ist mindestens unverständlich.

Es gibt hier im Osten jede Menge Menschen, von denen auch Leser dieser anspruchsvollen Zeitung sagen würden: Na, ist doch ganz nett, dieser „Ossi“, den könnten wir doch mal in unser Landhaus in die Bretagne einladen. Aber dieser nette, durchaus intelligente Mensch, der früher Pickel kriegte, wenn er irgend etwas von „Marxismus-Leninismus“ hörte, der Magengeschwüre bekam, wenn er gefragt wurde, ob er nicht auch Mitglied im „bewußten und organisierten Vortrupp der Arbeiterklasse“ werden möchte, der wählt heute die Partei der übriggebliebenen Pionierleiter und Radrennfahrer. Er macht sich gemein mit Leuten, deren ganzer Stolz die Asbest-Datsche vor der Stadt nebst bemalten Holzlöffeln und Matrjoschkas ist und die unaufhörlich von neuerlich bevorstehender Wende schwafeln.

Leute, die früher mit bösem Hausmeisterblick auf dem Bürgersteig fahrende Fahrradfahrer umrissen, naive Oberschüler zu drei Jahren Armeedienst erpreßten, laufen heute noch mit finstren, verkniffenen Fressen herum, aber kleben jetzt Plakate mit den Aufschriften „Cool!“ und „Geil!“.

Genossen, die keinen blassen Schimmer haben, was sie mit Sozialismus meinen, und deren theoretischer Querdenker eine Frau ist, deren politisch-intellektuelles Niveau etwa dem seinerzeit in der Unterstufe abzulegenden „Abzeichen für gutes Wissen (Bronze)“ entspricht. Und mittendrin Gysi, dieser müde Mohikaner, der für seine gewiß aufmerksamen sozialdemokratischen Aperçus von den Seinen immer noch für den direkten Nachkommen Rosa Luxemburgs gehalten wird. Und zu alldem liest Papenfuß Prosa im Wahlbüro der Pionierleiterin. Mir fällt da nichts mehr ein.

Meine Damen und Herren, Sie warten jetzt sicher auf die Pointe. Ich muß Sie enttäuschen: Zu dieser Geschichte gibt es keine. Das ist alles überhaupt nicht lustig. Andreas Lehmann

Lehmann ist freier Autor in Berlin