Die gelbe Muschel zershellt

Deutsche Shell verläßt die City Nord auf Weisung aus London. Hamburger Vorstand weiß weder warum, noch wie es weitergeht  ■ Von Florian Marten

Rainer Laufs konnte einem gestern fast leid tun. Der grauhaarige Chef der Deutschen Shell AG in Hamburg wollte den Medien persönlich verraten, „was bei Shell los ist“. Eine undankbare Aufgabe. Schließlich wurde Laufs von seinen Vorgesetzten selbst mit einer Entscheidung überrascht, die er weder teilt noch versteht.

Die Deutsche Hauptverwaltung des Mineralölkonzerns mit der gelben Muschel muß auf Weisung des obersten Führungsgremiums der Royal Dutch/Shell Gruppe in London ihre Zentrale in der City Nord räumen. Offenkundig will Shell-Boß Mark Moody-Stuart, der diese Entscheidung am Freitag vor Börsenanalysten in San Francisco bekannt gab, damit die Eigenständigkeit der vier europäischen Shell-Zentralen brechen.

Den tieferen Sinn der Maßnahme vermochte Rainer Laufs gestern trotz bohrender Journalistenfragen nicht zu enthüllen. Denn die strategische Ausrichtung des europäischen Shell-Geschäfts, die mit Zustimmung auch von Laufs im Herbst 1997 verabredet worden war, lautete: Mehr Wachstum in Europa, keine kontinentale Zentrale, wohl aber mehr Vernetzung und eine „Verschlankung“ inklusive eines „mittelfristigen Personalabbaus von 15 Prozent“.

Ob der Umzug aus dem schwarzbraunen Koloß am Überseering 35 dafür allerdings die richtige Maßnahme ist, bezweifelt nicht zuletzt Rainer Laufs: „Unser Konzept“ – das den Erhalt der Hamburger Zentrale vorsah – „hat offenkundig nicht überzeugt.“ Am Geld kann es nicht gelegen haben, denn „Kostengesichtspunkte sprechen gegen einen Auszug aus der City Nord“. Auch in einer Zerschlagung der Deutschland-Zentrale kann Laufs keinen rechten Sinn entdecken: „Ich kann mir nur schwer vorstellen, daß wir die Geschäfte in Deutschland nicht vom Raum Hamburg aus betreiben.“

Sicher aber sei im Moment gar nichts: Wieviele und welche der 850 Beschäftigten wann entlassen würden, ob die Harburger Raffinerie, gerade für 200 Millionen Mark modernisiert, stillgelegt werde, ob Shell einen anderen Standort in Hamburg suche – Laufs blieb jede Antwort schuldig. Nur an eins glaubt er noch: „Eine Aufgabe der Deutschen Shell AG steht nicht auf der Tagesordnung.“ Er wolle „jetzt erstmal eine Arbeitsgruppe einsetzen und zusammen mit den Mitbestimmungsgremien konkrete Lösungen entwickeln“.

Die Hamburger Betriebsratsvorsitzende Ruth Lange betonte gestern, daß ein Unternehmen sich „völlig unglaubwürdig macht“, dessen offizielle Leitvision lautet: „Menschen helfen, eine bessere Welt zu schaffen“. Dieses „Management by Abrißbirne“, so Jürgen Hielscher, Hamburger Vorsitzender der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (BCE), sei „eine arrogante und verächtliche Behandlung von Mitarbeitern, die der Unternehmenskultur bei Shell bisher fremd war“.