Japans Banken stehen im luftleeren Raum

Als es konkret werden sollte, war der Kompromiß zwischen Regierung und Opposition über die Zukunft des Finanzwesens schon wieder hin. Der gestrige Börsensturz in Tokio war nur ein Vorbeben, glauben Experten  ■ Aus Tokio André Kunz

Orientierungslos palavern Japans Politiker nun seit sechs Wochen über einen Gesamtplan zur Sanierung ihrer Banken. Die fruchtlose Debatte ist nicht nur für die betroffenen Finanzinstitute und Japans Steuerzahler mißlich. Inzwischen beeinflußt sie auch direkt die globalen Finanzmärkte.

Einen ersten Kompromiß mit viel Interpretationsspielraum heckte die Regierung am vergangenen Freitag mit der Opposition aus. Drei Tage später liegen sich die gegnerischen Parteien bereits wieder in den Haaren. Die Meinungen darüber, wie der Plan denn nun konkret umzusetzen sei, widersprechen sich diametral. „Was fehlt, ist die klare politische Führung der Regierungspartei“, beklagte sich die einflußreiche Wirtschaftszeitung Nihon Keizai Shimbun.

Die Unsicherheit über die Stabilität im japanischen Finanzsystem ist einmal mehr massiv gestiegen und hat dem Tokioter Börsenindex gestern einen neuen Tiefststand beschert. Der Nikkei-Index notierte zum Handelsschluß mit 13.597 Punkten auf dem Stand vom 25. Februar 1986. „Solange kein detaillierter Plan vorliegt, auf den sich die Politiker wirklich geeinigt haben, wird Tokio weiter fallen und andere Börsen mitreißen“, kommentierte ein Finanzanalyst die Situation in Japan.

Gnadenlos reagiert der Markt gegenwärtig auf jedes Wort japanischer Politiker, wenn es um die Sanierung des Bankensystems geht. Nachdem der populäre Oppositionsführer Naoto Kan, der mit einer verbündeten Koalition den jüngsten Kompromiß maßgeblich beeinflußte, am Sonntag die regierenden Liberaldemokraten vor einem Rückzieher warnte, ist der Streit um die Auslegung gestern erneut eskaliert.

Kan spricht sich für eine „harte Landung“ im Bankensektor aus. Insolvente Geldinstitute, wie die schwer angeschlagenen Long Term Credit Bank (LTCB), sollen demnach kein Geld aus dem im März bewilligten Finanzstabilisierungspaket von 13 Billionen Yen (166 Mrd. Mark) erhalten. Statt dessen sollen solche Banken zwecks Liquidierung verstaatlicht werden. Das käme einer Bruchlandung der Bank gleich und hat besonders im Finanzsektor Ängste geschürt, daß schon bald weitere schwache Großbanken auf diese Weise enden könnten.

Die regierende LDP liebäugelt dagegen weiter mit dem Konzept einer „weichen Landung“ im Sektor, die notleidende Banken im Vorfeld einer Liquidierung mit öffentlichen Geldern stützt. Kabinettssprecher und LDP-Schwergewicht Hiromu Nonaka verteidigte diese Position gestern als Notmaßnahme im Hinblick auf die arg gebeutelte LTCB, die einen Schuldenberg von mehr als 20 Milliarden Mark angehäuft hat. Geht es nach der LDP, dann soll die Bank staatliche Zuschüsse in der Höhe von 10 Milliarden Mark erhalten und dann in die Fusion mit der stärkeren Sumitomo Trust Bank geführt werden.

Die LTCB gilt als Präzendenzfall. Wie auch immer über sie in den nächsten Tagen entschieden wird, so wird vermutlich auch die Sanierung im gesamten Finanzsystem aussehen. Was aber schon jetzt feststeht: Japans Steuerzahler müssen sowohl im einen als auch im anderen Fall tief in die Taschen greifen, um die notwendige Stabilität in Japans Finanzsystem herzustellen.