Börsenhof: Das Ende der Pinkelrinne naht

■ Schandflecke rund um das Haus der Bürgerschaft sollen endlich verschwinden: Der Börsenhof wird verkauft, das Bremische Parlament als Mieter sichert dem Investor die Rendite – ebenso wie Geschäfte und Gastronomie im Erdgeschoß des Gebäudes

Zwei Schandflecke in bester Lage der historischen Bremer Innenstadt sollen nach jahrelangem Nichtstun jetzt verschwinden: Die düstere Pinkelrinne zwischen dem Haus der Bürgerschaft und dem Börsenhof A und das zugewachsene Taubenklo auf der Betonfläche rechts neben dem Haupteingang des Parlaments. „Eine unendliche Geschichte neigt sich dem Ende zu“, sagte Bürgerschaftspräsident Reinhard Metz (CDU) gestern vor der Presse. Möglich machen soll das lange debattierte Vorhaben jetzt der Verkauf des Börsenhof-Gebäudes an einen privaten Investor.

Dieser wird gelockt durch ein attraktives Angebot: Er soll das historische Gemäuer von 1861 mit der bauhistorisch wertvollen Innentreppe sanieren und mit zwei Geschossen aus Glas und Stahl aufstocken, wie es der Architekt Manfred Schomers schon vor zehn Jahren in einem Wettbewerb vorgeschlagen hatte. Außerdem verlangt die Ausschreibung, das Höhenniveau des Marktplatzes hinter dem Parlament fortzusetzen und so eine Verbindung zur abgeriegelten Fläche südlich des Bürgerschaftsgebäudes zu schaffen, auf der eine öffentlich zugängliche grüne Oase entstehen könnte.

Im Gegenzug darf der Investor 1.000 Quadratmeter im Erdgeschoß des Börsenhofes an Läden oder Gastronomen vermieten. Und überdies zieht die Bürgerschaft als garantierter Mieter in die oberen Büroetagen ein. Diese von allen Fraktionen getragene Entscheidung sei der Durchbruch auf dem Weg zu einem neuen Börsenhof gewesen, hieß es gestern. Über Kaufpreis, Investitionsvolumen und Miethöhe wurden keine Angaben gemacht. Branchenkenner gehen aber davon aus, daß sich so ein Vorhaben bei sicheren Mieteinnahmen auch rechnet.

Die Parlamentarier bräuchten mehr Platz, sagte Präsident Metz. Je mehr der noch unter Vorsitz der Senatoren tagenden Deputationen durch echte Parlamentsausschüsse ersetzt werden, umso mehr seien besonders neue Sitzungsräume im Parlamentsgebäude nötig.

Zusätzlich will das Parlament eine „Philosophie der Öffnung“ auch baulich umsetzen, sagte der grüne Bürgerschaftsvize Hermann Kuhn. Dazu könnte auch an der dem Dom zugewandten Seite des bestehenden Bürgerschaftsgebäudes ein Restaurant einziehen. Denn Bibliothek und Archiv sollen ins Souterrain zwischen dem Börsenhof und dem Parlament einziehen. Ein Café im Bürgerschaftshaus ist aber nicht direkter Teil der Ausschreibung.

Schon beim Bau des Bürgerschaftshauses Anfang der sechziger Jahre hatte der Architekt Wassili Luckhardt eine Verbindung zwischen Neubau und Börsenhof vorgesehen. „Aus irgendwelchen Gründen, wahrscheinlich finanziellen“, vermutet Metz heute, sei nichts weiter passiert. Schon 1976 hatte der damalige Parlamentspräsident Klink angemahnt, daß es mit der schäbigen Rückseite des hohen Hauses so nicht weitergehe. 1981 war die Bauverwaltung aus dem Börsenhof ausgezogen, vor zehn Jahren gab es einen Architektenwettbewerb, 1992 war erfolglos mit dem Gerling-Konzern über einen Kauf verhandelt worden, 1994 hatte die Stadt abermals verkündet, daß sie das Gemäuer loswerden wollte... alles vergeblich. „Unverständlich“, nennt das Architekt Schomers. „Da haben die Bremer ihren Marktplatz nach dem Krieg mit solcher Akribie wiederaufgebaut“, die Ecken rund um die Bürgerschaft aber „einfach vierzig Jahre liegengelassen“. „Ich kenne keine Stadt dieser Größenordnung, wo man ähnliches sieht“.

Jetzt wird das Grundstück in den nächsten Tagen ausgeschrieben. Die Investoren haben dann zwei Monate Zeit, ein Angebot abzugeben. Im April will die Bürgerschaftsverwaltung den Börsenhof räumen. Nach eineinhalb Jahren Bauzeit könnte alles fertig sein. Joachim Fahrun