Abi in Türkisch gefährdet

■ In Duisburg soll ein Multikulti-Gymnasium geschlossen werden. Eltern und Schüler protestieren gegen Verlust des Abiturs in Türkisch

Duisburg (taz) – „Widerstand, Résistance, Direniș“ stand auf den Kapuzen-Pullis der SchülerInnen des Duisburger Multikulti-Gymnasiums. Ob mit Kopftuch, Dreadlocks oder Techno-Style, am Montag nachmittag zogen 400 türkische und deutsche SchülerInnen durch Duisburg, um vor dem Rathaus gegen die Schließung ihrer Schule zu demonstrieren. Mehr als die Hälfte der Clauberg-GymnasiastInnen sind türkischsprachige Jugendliche, Türkisch ist Abifach an der Schule. Jetzt soll das Gymnasium einer Gesamtschule Platz machen.

Nur an einem guten Dutzend Gymnasien können türkische Bildungsinländer in Nordrhein-Westfalen Türkisch als Abiturfach wählen. Mit der Umwandlung in eine Gesamtschule ist dies in Duisburg- Hamborn gefährdet. Das befürchtet nicht nur die Elternvertretung, sondern auch das Essener Zentrum für Türkeistudien. „Wenn sich die Organisation ändert“, berichtet die Zentrumsreferentin Jasemin Özbek, „kommen neue Regelungen.“ Türkisch als Unterrichtsfach sei wichtig, haben die Forscher herausgefunden. Weil nur die gute Beherrschung ihrer Muttersprache dazu führt, daß die jungen Türken später andere Sprachen richtig lernen.

Thomas, der Klassensprecher einer 7. Klasse, fürchtet um die Bildungschancen seiner kurdischen und türkischen MitschülerInnen. „Jeder Schüler hat das Recht, zum Gymnasium zu gehen“, fordert Thomas angesichts der Situation in Duisburgs Norden. Das gleichfalls dort gelegene katholische Abtei- Gymnasium etwa nimmt keine Muslime auf.

„Zur Gleichwertigkeit der Kulturen gehört für mich, daß türkische Kinder im Gymnasium in Türkisch Abi machen können“, sagt Deutschlehrer Hans-Georg Kückenthal. Seine halbe Klasse hat Türkisch als zweite Fremdsprache gewählt. Er wie seine KollegInnen haben nichts gegen Gesamtschulen. Aber ihr mulikulturelles Gymnasium wollen sie erhalten – denn Duisburg-Hamborn hat einen Ausländeranteil wie Klein- Kreuzberg. Besonders freut sich Kückenthal über den Einsatz der türkischen Elternschaft, die sonst eher zurückhaltend war: „Sie erkennen, welch große Möglichkeit ein gymnasialer Abschluß eröffnet.“

Eine Entscheidung ist in Duisbrug noch nicht gefallen. Aber Gerd Bildau (SPD), Duisburger Bildungsdezernent, hat sich gegen die weitere Existenz des Clauberg- Gymnasiums ausgesprochen. Es habe „rückläufige Schülerzahlen“, sagt Bildau, „und das ist auch in Zukunft zu erwarten.“ Der SPD- Mann hat aber noch andere Gründe: „Übergroße Nicht-Deutschen-Anteile an Schulen“ müßten entzerrt werden.

Dies könnte gelingen, wenn das halb türkische, halb deutsche Clauberg-Gymnasium zur 14. Gesamtschule in Duisburg wird. Zusammen mit der nahe gelegenen Anne-Frank- Schule, einer Hauptschule, soll das Clauberg eine Gesamtschule werden. „Letztlich geht es nur darum, Geld zu sparen“, vermutet Schulpflegschaftsvorsitzender Helmuth Schweizer. Am Montag haben die Grünen den Erhalt des Clauberg- Gymnasiums im Duisburger Rat beantragt. Die SPD hat das mit ihrer absoluten Mehrheit von der Tagesordnung abgesetzt.

Die allseits geforderte sprachliche Integration von AusländerInnen trägt indes am Clauberg-Gymnasium Früchte: „Ich will studieren damit aus mir was wird, denn ich will mehr schaffen als mein Vater“, sagt Schüler Cihan (17). Isabelle Siemes