„Freiwild für das Bundeskriminalamt“

■ Das Privattelefon der „Stern“-Journalistin Edith Kohn wurde vom BKA überwacht. Sie wehrt sich gegen den Vorwurf, die Behörde auf die Spur des Ex-Terroristen Hans-Joachim Klein gebracht zu haben

taz: Frau Kohn, war es nicht reichlich naiv, von Ihrem Privatanschluß mit dem seit Jahren abgetauchten Ex-Terroristen Hans- Joachim Klein zu telefonieren? Hätten Sie nicht damit rechnen müssen, überwacht zu werden?

Edith Kohn: Ja, natürlich. Nicht nur ich, wir mußten alle damit rechnen. Ich hatte seit 1994 Kontakt zu Klein. Seit vier Jahren habe ich mit Daniel Cohn-Bendit (grüner Europaabgeordneter, die Red.) an der Rückkehr Kleins gearbeitet. Seit diesem Frühjahr war klar: Klein will sich in Deutschland stellen. Von diesem Zeitpunkt an gab es daher überhaupt keinen Anlaß mehr für uns, konspirativ zu arbeiten. Wenn Sie sagen, daß sei naiv gewesen, dann war es das — und zwar aus gutem Grund. Denn wir wollten, daß das Versteckspiel ein Ende nimmt. Im Januar und im März bin ich in Frankreich gewesen, habe meine Geschichte in aller Ruhe über Klein machen können. Von behördlicher Seite kam nichts. Im Mai dann klinkt man sich plötzlich in meine beiden Telefonanschlüsse ein. Offenbar nachdem der Anwalt von Klein der Staatsanwaltschaft die Rückkehrabsicht seines Mandanten mitgeteilt hat. Am 5. Juni dann, soweit geht das aus der Ermittlungsakte hervor, wußten die Fahnder, wem der Anschluß in Frankreich gehört. Und trotzdem nimmt man Klein dann vor rund zwei Wochen, wenige Tage bevor er sich stellen wollte, fest. Für mich steht fest, daß die Behörden ihm die freiwillige Rückkehr unmöglich machen wollten.

Aber wäre es nicht besser gewesen, außerhalb Ihrer Wohnung mit ihm zu telefonieren?

Dann wäre ich eben observiert worden. Was ist das Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten wert, wenn wir bei Fahndungen Freiwild fürs BKA sind?

Wußte denn Klein, daß Sie von Ihrer Privatnummer aus anriefen?

Wir und Klein sind stets davon ausgegangen, daß die deutschen Behörden wissen, wo er sich aufhält. Es ging nicht darum, ihn zu verstecken, sondern darum, seine Rückkehr vorzubereiten.

In Ihrem „Stern“-Artikel heißt es, seit Dezember 1997, als Kleins Anwalt Kontakt zur Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main aufnahm, hätten die Behörden von seinem Aufenthalt wissen können. Das klingt so, als sei letztendlich der Anwalt schuld, daß Kleins Versteck aufflog?

Nein, ich schiebe niemanden hier vor. Klein ist nicht aufgeflogen, sondern kurz vor seiner Rückkehr abgegriffen worden. Die Ermittler haben zu einem bestimmten Zeitpunkt das getan, was sie die ganze Zeit über hätten tun können. Das Abschöpfen von Informationen wagten sie nicht beim Anwalt, auch nicht bei Cohn-Bendit als Europaparlamentarier. Also nahmen sie mich und Jean-Marcel Bouguereau, den früheren Chefredakteur von Libération, der in Frankreich abgehört wurde. Denn wir Journalisten waren die schwächsten Glieder in der Kette. Interview: Severin Weiland