US-Amerikaner unbeeindruckt

■ In Umfragen behält Clinton die Nase vorn

Berlin (taz) – Einen Tag nach der Ausstrahlung der Videoaufzeichnungen von Präsident Bill Clintons Vernehmung vor der Grand Jury herrscht in den USA Uneinigkeit, wem die Veröffentlichung genutzt hat. Die Umfragen sind eindeutig: 66 Prozent der US- Amerikaner sind, so eine Gallup-Umfrage für CNN und USA Today, nach der Ausstrahlung der Bänder gegen eine Amtsenthebung Clintons – das sind immerhin sechs Prozentpunkte mehr als noch am Sonntag.

Dabei glauben immerhin 81 Prozent, daß Clinton tatsächlich gelogen und auch Meineid begangen hat – Clintons Sex-Definitionen rufen lediglich müdes Lächeln hervor. Auch die Hoffnung der Clinton-Mannschaft im Weißen Haus, die sexuell direkten Fragen der Ermittler würden auf diese zurückschlagen und von den US-Amerikanern als unfair empfunden werden, wurde enttäuscht: 70 Prozent empfanden die Fragen als fair, und 62 Prozent hatten das Gefühl, Clinton versuche etwas zu verbergen. Doch insgesamt war das Video weniger explosiv als angenommen. Der republikanische Senator Charles E. Grassley aus Iowa brachte es auf den Punkt: „Nach den Erwartungen, die beide Seiten geweckt hatten, bleibt die Übertragung unterhalb der Richter-Skala.“

Im Weißen Haus zeigte man sich unterdessen trotzig: Jedem sollte jetzt klar sein, sagte Präsidentensprecher Mike McCurry, daß das Verhalten des Präsidenten kein Amtsenthebungsverfahren rechtfertige. Er wiederholte noch einmal seine Kritik an der Veröffentlichung der Vernehmungsvideos. Zugleich sagte er, der Vorschlag des demokratischen Senators John Kerry, Clinton möge dem Kongreß selbst Rede und Antwort stehen, werde ernsthaft erwogen.

Formal muß nun der Rechtsausschuß bis zum 9. Oktober entscheiden, ob er dem Repräsentantenhaus die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens vorschlägt. Gründe dafür wären Meineid und Behinderung der Justiz. Für beide Vorwürfe meint Sonderermittler Kenneth Starr mit seinem Bericht, den Videobändern und den ebenfalls am Montag veröffentlichten 2.800 Seiten Beweismaterial genug Stoff geliefert zu haben. Insbesondere die Aussage Monica Lewinskys widerspricht in zahlreichen Punkten der des Präsidenten.

Wenn zwei Drittel des Repräsentantenhauses ein Amtsenthebungsverfahren befürworten, entscheidet der Senat, die zweite Kammer des Parlaments, über das weitere Schicksal des Präsidenten. Bernd Pickert

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