Im Hinterhofkeller

■ Jeans Team zeigen, daß neuerdings in Berlin ein Pop-Underground existiert

„Das klingt so Berlin“ – lange Zeit war das ein Schimpfwort. Denn das Ausstellen des Kaputten, vornehmer „Mauerstadtexpressionismus“ genannt, galt in Berlin als schick, egal was in der Welt drumherum geschah. Spätestens mit dem Mauerfall und dem damit einhergehenden Aufstieg der Protagonisten ins gesamtdeutsche Feuilleton-Establishment hatte Berlin dem aufrechten Underground-Popper außer den Lassie Singers nichts mehr zu bieten – Senatsrock und Techno im Bunker und auf der Parade interessierte den eh nicht.

Doch seit zwei, drei Jahren erzählen immer mehr Berlin-Ausflügler von unbekannten tollen Bands, und den Daheimgebliebenen erinnert das an damals in der Kleinstadt, an die Erzählungen von Hamburgreisenden um 1990. So wie damals in Hamburg L'Age D'Or und What's So Funny About die Neugierde mit Plattenveröffentlichungen befriedigten, so findet man heute bei den Berliner Labels Bungalow und Kitty-Yo Bands wie Surrogat oder Stereo Total. Dazu gibt es mit der Galerie Berlintokyo einen Kristallisationspunkt der Szene.

In einem Hinterhof an der Rosen-thaler Straße gelegen, wird dort Kunst- mit Musikprogramm aufs sympathischste vereint, wie ein Fanzine und drei Compilations beweisen. Auf der neuesten, Spielkreis 03, ist viel zu entdecken: ein Bekenntnis zum Kuschelrock von Britta, die Rückkehr der House-Pioniere Milch, musikalische Gehversuche von Maler Jim Avignon oder das Jeans Team, der Hausband der Galerie.

Zwei junge Männer singen: „Henning, Rock'n'Roll, das kannst du mit uns nicht machen.“ Dazu knarzt der Baß, fiepst der Synthesizer und rauscht das Megachrome-Tape. Inzwischen ist das Duo zur Band mit Schlagzeug und lauter Gitarre angewachsen, die beherzigt, was sie in „Henning Rock'n'Roll“ weiter singen: „Du solltest lieber abrocken.“ Klingt verdammt euphorisch und nach einem wohldurchdachten Entwurf. Leben im Pop-Underground eben, wo man seine Zeit nicht mit Gedanken an Major-Kooperationen verbringt, sondern mit guten Ideen voller Geschmack. Wenn Berlin so klingt, ist „klingt so Berlin“ längst kein Schimpfwort mehr. Felix Bayer So, 27. September, 21 Uhr, Golden Pudels Klub