Scheitern trotz Schönheit

Eine Annäherung an Robert Redford, der in „Der Pferdeflüsterer“ erstmals Regisseur und Hauptdarsteller ist  ■ Von Jan Distelmeyer

Eigentlich ein Gewinner-Typ. Auf den ersten Blick muß Robert Redford wie der Inbegriff des All American Boy wirken, der mit seinen Träumen auch die seines Publikums erfüllt. Das Versprechen von Liebe und Erfolg geht mit seinem Äußeren einher, daß jede Enttäuschung nicht nur zum Schlag ins emotionale Kontor wird, sondern zugleich an der üblichen Inszenierung von „Glück“ zweifeln läßt. Wie kann ihm das passieren?

Verlust, Enttäuschung und Einsamkeit sind mit dem Schauspieler Robert Redford ebenso verbunden wie die Insignien eines aufrichtigen Naturburschen. Seit seiner ersten Hauptrolle an der Seite von Marlon Brando und Jane Fonda in Arthur Penns The Chase (1966) verkörperte er immer wieder Männer, deren Happy-End sich einfach nicht vollends erfüllen will. Ganz so, als trüge der Redfordsche Held sein Scheitern auch im Sieg immer schon mit sich. Sein Sundance Kid kann in George Roy Hills Zwei Banditen (1969) – Redfords endgültigem Durchbruch – nicht mit Katherine Ross glücklich werden und stirbt im Kugelhagel. In Sidney Pollacks Jeremiah Johnson (1972) sucht er von Anfang an nichts als die Einsamkeit der Wildnis, und selbst Redfords Sieg als Ski-Champion in Schußfahrt (1969) ist eher Zufall. Redfords Titelfigur in Der große Gatsby (1974) endet ähnlich tragisch wie im Gefängnisdrama Brubaker (1980).

Je älter Redford wurde, desto deutlicher sprachen diese Brüche zwischen dem äußeren Versprechen des Sonnyboys und seiner Enttäuschung allein aus seinem Blick. Gerade unter der Regie von Sidney Pollack zeigte sich, daß seine Qualität als Schauspieler jenseits der Sprache liegt. Diese wortlose Präsenz ist vielleicht seine größte Stärke und zugleich eine Erinnerung an eine im Verschwinden begriffene Form des Hollywood-Starkinos. In Filmen wie Pollacks Der elektrische Reiter (1979) und Havanna (1991), in Der Unbeugsame (1984), Sneakers (1992) und selbst im Schmachtfetzen Ein unmoralisches Angebot (1993) erzählt Redfords Gesicht von Verletzungen und verlorenen Träumen, lange bevor wir seine Geschichte zu hören bekommen. Und auf eine Weise scheinen alle diese Rollen eine Menge mit der Charakterisierung zu tun zu haben, die Redford über seine Figur Jeremiah Johnson abgegeben hat: „Er verhält sich nicht feindlich, und er rebelliert auch nicht; er will nur nicht an einem Ort leben, wo ihm die Gesellschaft alle Gesetze des Handelns aufzwingt.“

Eben diese Ausstrahlung wurde zum perfekten Image. Sein Rollentypus verschmolz mit der öffentlichen Figur des Stars: Alles, Redfords politisches und soziales Engagement, seine enge Beziehung zu Europa, seine Vergangenheit als Maler, sein Wechsel ins Regiefach und schließlich die Gründung des bedeutenden Sundance Film Institute 1981, scheint auf beängstigende Weise das Bild Robert Redford rund zu machen. Ein publikumswirksames 70er-Jahre-Gesamtkunstwerk.

Die Filme des Regisseurs Redford dagegen sind nicht um Einzelgänger, sondern um Gemeinschaften zentriert. Eine ganz normale Familie (1980), für den er einen Oscar erhielt, und Aus der Mitte entspringt ein Fluß (1992) beobachten die Entwicklung von Familien, deren Tragik in der eigenen Geschichte verwurzelt ist. Der Zerfall droht in Milagro (1988) auch einer kleinen Gemeinde in New Mexico; doch im Gegensatz zu den Familiendramen stellt hier am Ende eine märchenhafte Wendung die Idylle wieder her. Quiz Show (1994) handelt eigentlich von einem historischen Fernsehskandal um eine manipulierte Quiz-Sendung. Gleichzeitig findet jedoch auch hier die Frage der Bestimmung via Familie ihren Platz: Zumindest hängt die Motivation des Quiz-Matadors Van Doren (Ralph Fiennes) unmittelbar mit dessen familiärer Hypothek zusammen. Am Ende steht nicht der Skandal, sondern eine Vater-Sohn-Beziehung im Mittelpunkt.

Zwangsläufig also war in den Filmen des Regisseurs Redford für einen Star seiner Größenordnung kein Platz gewesen. Die Fokussierung auf den strahlenden Einzelgänger hätte die Gemeinschaft, die Beziehungen zwischen mehr oder minder gleichberechtigten Partnern, unweigerlich in den Schatten gestellt. Für seinen neuesten Film Der Pferdeflüsterer gilt das nicht mehr, und man könnte es symptomatisch nennen, daß das Zusammenkommen von Schauspieler und Regisseur hier so bemerkenswert kitschig wirkt. Wieder ein Bruch, der ins Bild paßt: Fast scheint es, als unterliege Der Pferdeflüsterer der Geschichte und Kraft seines eigenen Stars.

„Der Pferdeflüsterer“ läuft im Grindel, Cinemaxx, City, Holi, Passage, Streits und UFA