Aus Busfahrern werden Leiharbeiter

■ Nach Angaben der Gewerkschaft ÖTV plant die Bahn AG, die BVG in fünf einzelne Betriebe zu zerlegen. Arbeitnehmervertreter befürchten Tarifbruch. Diese Privatisierung könne auch Finanzbelastung des Landes

Abermals steht der Plan auf der Tagesordnung, die rund 17.000 Beschäftigten der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zu LeiharbeiterInnen zu machen. Die Gewerkschaft ÖTV berichtete gestern von einer Untersuchung der Deutschen Bahn AG, die auf die Zerschlagung der BVG in bis zu fünf einzelne Gesellschaften hinausläuft. Die bisherige BVG solle dann ihr Personal an die neuen Gesellschaften ausleihen. Sinn der Konstruktion sei es, die Lohnkosten im öffentlichen Nahverkehr zu senken, erklärte Uwe Scharf, Vizechef der ÖTV.

Im April hatten die Fraktionschefs von SPD und CDU, Klaus Böger und Klaus Landowsky, bei der Bahn AG vorgefühlt, ob diese nicht die S-Bahn mit der BVG zu einer großen Nahverkehrsholding zusammenlegen wolle. Hintergrund: Der Senat sucht Wege, um den gigantischen Zuschußbedarf an die BVG von gegenwärtig 921 Millionen Mark jährlich zu reduzieren. Seitdem prüft die Bahn AG, wie der hauptstädtische Verkehr organisiert werden könnte.

Nach Angaben der ÖTV plant die Bahn nun die Einrichtung einer Holding zusammen mit dem Land Berlin. Der Konzern würde auf sechs Säulen ruhen: der S-Bahn und den fünf BVG-Überresten U-Bahn, Busse, Straßenbahn, Infrastruktur (Gleise und Tunnel), sowie der Anstalt öffentlichen Rechts. In der Anstalt sollen unter der bisherigen Rechtsform der BVG sämtliche Beschäftigten angesiedelt sein. Bei Bedarf würden sie an die anderen Holdingtöchter ausgeliehen. Dazu Bahn-Sprecher Hartmut Sommer: „Ich kann das nicht kommentieren.“

An der Lohnhöhe und Absicherung der BVG-MitarbeiterInnen würde sich nichts ändern. Die private Holding allerdings würde der Anstalt nur einen Teil des öffentlichen Tariflohns überweisen. Den fehlenden Rest der Löhne müßte das Land dazuschießen. Die öffentliche Hand müßte auch diejenigen Beschäftigten weiterfinanzieren, die die Holding nicht ausleihen will. Vorteil für den Konzern: Er spart Geld und kann zudem parallel eigene MitarbeiterInnen einstellen, die wesentlich geringer bezahlt werden, als die öffentlich Beschäftigten der BVG. „Das ist Tarifflucht“, schimpft Gewerkschafter Scharf.

Der ÖTVler kann auch keine Einspareffekte für das Land entdecken. Neben der teilweisen Finanzierung der BVG-Löhne, müsse der Senat schließlich auch an die Holding hohe Zuschüsse für den Nahverkehr zahlen. Ob die Defizitabdeckung dann doch geringer ausfallen könnte als die heutigen 921 Millionen Mark, weiß aber auch die ÖTV noch nicht.

Ein nahezu identisches Konzept hatte der Aufsichtsrat der BVG mit den Stimmen der ArbeitnehmerInnen im März bereits abgelehnt. Im Auftrag des BVG-Vorstandes hatte die Unternehmensberatung Bossard in der Vergangenheit daran gearbeitet – unter Leitung von Nikolaus Fuchs. Der berät für die Firma Lexington Consult mittlerweile die Bahn AG. Den Vorwurf der ÖTV, interne Daten aus seiner früheren Tätigkeit bei der BVG jetzt der Bahn AG zu Verfügung zu stellen, weist Fuchs zurück: „Ich habe seit 1995, außer zu einer Geburtstagsfeier, die Räume der BVG nicht mehr betreten.“ Hannes Koch