Jeder liest die Kosovo-Resolution anders

■ Rußland und der Westen einigen sich auf ein gemeinsames Vorgehen gegenüber der Regierung in Belgrad. Ein Freibrief für einen Militäreinsatz ist der Text jedoch nicht. Kinkel widerspricht Rühes Fris

New York/Köln (AFP) – Im Kosovo-Konflikt haben sich Rußland und der Westen auf eine UN- Resolution verständigt, die den Druck auf Belgrad erhöhen soll, ohne dabei der Nato einen Freibrief für ein militärisches Eingreifen in gegen Jugoslawien auszustellen. Die Kompromißvorlage, über die gestern im UN-Sicherheitsrat abgestimmt werden sollte, wurde nach Angaben der deutschen Delegation innerhalb der internationalen Balkan-Kontaktgruppe am Rande der UN-Vollversammlung in New York ausgehandelt.

In dem UN-Resolutionsentwurf wird der jugoslawische Präsident Slobodan Milošović aufgefordert, die Unterdrückung friedlicher Kosovo-Albaner zu unterlassen, internationalen Beobachtern und Hilfsorganisationen volle Bewegungsfreiheit zu gewähren, die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen zu gewährleisten sowie den Kampf gegen die Befreiungsarmee des Kosovo (UCK) einzustellen. Erfülle er diese Forderungen nicht, dann werde der Sicherheitsrat „weitere Maßnahmen“ ergreifen. Auf das von Großbritannien vorgeschlagene Luftembargo für die jugoslawische Fluglinie JAT wurde mit Rücksicht auf Rußland verzichtet.

Schon unmittelbar nach Bekanntwerden der Einigung machten die beteiligten Staaten deutlich, daß sie die Resolution im Hinblick auf einen eventuellen Militäreinsatz gegen Belgrad unterschiedlich interpretieren. Der russische UN-Botschafter Sergej Lawrow erklärte, es gebe „nichts“ in der Beschlußvorlage, das den Einsatz von Gewalt autorisieren würde. Auch der britische UN-Botschafter Jeremy Greenstock räumte ein, daß die Resolution kein grünes Licht für eine Militärintervention beinhalte.

Von französischer und deutscher Seite wurde dagegen betont, der Text stelle eine neue Form der Drohung dar, weil er sich auf Kapitel VII der UN-Charta beziehe und damit letztlich die Basis für militärische Aktionen schaffe, auch wenn hierfür möglicherweise noch weitere Beschlüsse notwendig seien. „Dies ist ein Signal für Milošević und die Kosovo-Albaner“, sagte Vedrine.

Die US-Vertreterin bei der UNO, Nancy Soderberg, sagte, der Entwurf sei ein positiver Schritt. Die USA stünden aber weiter auf dem Standpunkt, daß die Nato für eine Militärintervention keine Erlaubnis des Sicherheitsrats brauche. US-Verteidigungsminister William Cohen ließ erklären, er wolle seine Nato-Kollegen am heutigen Donnerstag in Portugal dazu bewegen, den nächsten Schritt auf dem Weg zu einer Militäraktion zu tun. Dieser bestünde darin, die Nato-Staaten in aller Form über die bisherigen Militärplanungen zu benachrichtigen. „Wir hoffen, daß die Kombination aus politischer und militärischer Botschaft den Präsidenten Milošević an den Verhandlungstisch bringt“, hieß es aus dem US-Außenministerium.

Außenminister Klaus Kinkel (FDP) lehnte gestern in einem Interview die von Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) genannte Frist zur Lösung der Kosovo-Krise ab. Zu Rühes Forderung, die Bundesregierung müsse in „drei bis fünf Wochen“ über einen Militäreinsatz entscheiden, sagte Kinkel im WDR: „Das sehe ich nicht so, um das deutlich zu sagen.“ Zunächst werde weiter eine politische Lösung angepeilt, „und ich würde das jetzt nicht zeitlich in irgendeiner Form eingrenzen wollen“. Kinkel räumte ein, daß die Zeit wegen der Gefahr für die albanischen Flüchtlinge durch den heraufziehenden Winter dränge.

Im Kosovo ging die serbische Offensive gegen die letzten Bastionen UCK gestern weiter. Gekämpft werde am Cicavica-Gebirge und rund um Srbica und Glogovac im Zentrum der serbischen Provinz, teilten übereinstimmend serbische und albanische Quellen in der Provinzhauptstadt Priština mit. Etwa 20.000 neue Flüchtlinge aus den Kampfzonen halten sich sich unter freiem Himmel nahe dem Ort Klina auf.