Danke (18)
: Doris, laß das Licht an!

■ Kalle-Blomqvist-und-die-Schröder-Bande: Sagen sie uns zum Abschied leise Servus?

Warum Kohl die Wahl gewinnt? Weil Schröder-Wähler Angst vorm Dunkeln haben. Das fängt schon immer damit an, daß abends beim Einschlafen die Tür zum Gang offen sein muß. Ein kluger Mann hat mal gesagt, nur wer erwachsen wird und trotzdem will, daß das Licht im Gang anbleibt, ist ein Mensch. Aber weil die meisten Menschen Feiglinge sind, geben sie das natürlich nicht zu. Schröder zum Beispiel würde sich nie trauen zu sagen: „Doris, laß doch das Licht im Gang an, dann muß ich keine Angst haben.“ Und so wie die meisten Erwachsenen sich bis heute fürchten, im Dunkeln einzuschlafen, so wählen sie auch: Am liebsten wollen sie sich bei jemandem ankuscheln. Vielleicht, weil sie denken, daß es in der Wahlkabine auch dunkel ist und zum Angsthaben.

Ich habe das zumindest gedacht, seit ich sieben bin. Da mußte ich zum ersten Mal in einem Flugzeug aufs Klo. An der Tür stand irgendwas mit „Kabine“, so habe ich das Wort gelernt. Bei meiner ersten Wahl sah ich, daß es da keine Kabinen gibt, sondern nur Trennwände aus Spanholzplatten. Und ich begriff, daß die Wahlkabinen nur Wahlpissoirs sind und wahrscheinlich auch sonst alles Lug und Trug ist in der Politik.

Der Kohl hat sich in den Kanzlerjet ein extragroßes Klo einbauen lassen, der versteht die Ängste der Menschen in der Wahlkabine. Deshalb verstärkt er sie: Rußland. Kosovo. KRISE. Schröder-Wähler sind Phantom-Wähler, Schönwetterwähler. Ihre Furcht vor dem Wechsel wächst, je näher die Wahl rückt. Am 27. September wollen sie sich nur noch ankuscheln. Und Kohl heißt nicht umsonst „der Dicke“.

Was Schröder betrifft: Er ist tatsächlich Jürgen W. Möllemann. Das wir da nicht früher drauf gekommen sind, rief Pöttchen und schlug sich an die Stirn. Es hätte uns wirklich auffallen müssen, daß Möllemann wie vom Erdboden verschluckt ist, seit Schröder die politische Bühne betreten hat. Der Rest des Falls war schnell gelöst: Möllemann rennt in Gerhard- Schröder-Gummimasken rum und genießt sein Comeback als SPD-Kanzlerkandidat.

Der Gerd hingegen ist in Wahrheit ein schüchterner Bursche ohne politische Ambitionen. Er ist schon vor einiger Zeit als Hausmeister aufs Internat Burg Möwenfels zurückgekehrt, wo er zu seinen Juso-Zeiten Zivi war. Dort sieht man ihn in der Herbstsonne Papierkörbe leeren, während die Mädels vom Hanni-und-Nanni-Club Spottverse auf ihn singen. Mich und die Jungs von der Kalle-Blomqvist-und-die-Schröder-Bande konnte diese Entdeckung nicht wirklich überraschen. Nicht umsonst galten wir als versierte politische Beobachter. „Gut gemacht, Jungs!“ rief ich, und die Jungs stiegen auf ihre Fahrräder und fuhren winkend nach Hause. Ich blieb zurück, und noch lange war mir, als summte der Wind zwischen den Telegraphenleitungen leise: „Parole: Danke!“ Patrik Schwarz

Der Autor ist taz-Redakteur im Ressort Inland – und Kalle Blomqvist lebt nach einem Postraub undercover in Montevideo