Eineinhalb Frauen für drei grüne Minister?

■ Zwar befürchten die Grünen die Große Koalition, dennoch werden schon Posten gehandelt. Konflikt mit Frauenquote vorprogrammiert

Offiziell sind Personalfragen im Falle einer Regierungsbeteiligung derzeit bei den Bündnisgrünen tabu. Der Bär solle erst erlegt und dann das Fell verteilt werden, ist die stereotype Antwort auf neugierige Fragen. Auch wenn viele eine Große Koalition für wahrscheinlich halten, ist andererseits selbst in den Augen notorischer Skeptiker eine rot-grüne Mehrheit immerhin denkbar. Und so werden denn intern eifrig Wunschlisten erstellt und Strategien entworfen. Konflikte sind dabei programmiert – nicht nur mit dem möglichen Koalitionspartner.

Auf „Augenhöhe“ werde man mit der SPD verhandeln, betont Fraktionschef Joschka Fischer immer wieder, und auch Vorstandssprecher Jürgen Trittin hat deutlich gemacht, daß die Partei in der Kabinettsrunde nicht am Katzentisch sitzen will. Eines der klassischen Ressorts – Außen, Innen, Finanzen oder Wirtschaft – möcht's schon sein: Hier zumindest herrscht bei den Grünen Übereinstimmung. Aber schon an der Frage, welches es denn sein soll, scheiden sich die Geister.

Die mögliche Besetzung des Außenministeriums mit Joschka Fischer stößt auch bei den Grünen nicht nur auf jubelnde Zustimmung. Einige fürchten, der bisherige Fraktionschef werde allzu häufig abwesend sein und als Persönlichkeit der Fraktion fehlen. Andere sind besorgt, weil gerade bei der Außenpolitik Konflikte zwischen verschiedenen Strömungen innerhalb der Partei drohen, dieses Ministerium also in einer rot-grünen Koalition besonders störanfällig wäre. Für die SPD wohl am leichtesten zu verkraften wäre die Abgabe des Wirtschaftsministeriums – es sei denn, Gerhard Schröder fühlt sich nach der heftigen Kritik an seinem Wunschkandidaten Jost Stollmann nun gerade an diesen gebunden.

Im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsministerium fällt immer wieder der Name der Rentenexpertin Andrea Fischer. Sie kann neben unbestrittenem Sachverstand noch ein weiteres Plus für sich verbuchen: Sie ist eine Frau. Die Frauenquote ist einer der Knackpunkte des internen Tauziehens. Zwar sieht die Satzung nur für Gremien der Partei, nicht aber für Kabinettslisten vor, daß mindestens die Hälfte aller Posten mit Kandidatinnen zu besetzen ist. Sollten aber Männer daraus schließen wollen, für Ministerposten gelte die Quote nicht, dann erinnerte das fatal an Bill Clintons Suche nach möglichst engen Definitionen. Viel Glück hat der US-Präsident damit nicht gehabt.

Es ist nicht so, daß es den Grünen an qualifizierten Frauen fehlte. Fraktionschefin Kerstin Müller, die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn oder die Hamburger Bürgermeisterin Krista Sager sind nur einige derjenigen, die als ministrabel gelten. Aber es ist unwahrscheinlich, daß es ihnen gelingt, sich gegen die Ambitionen von Fraktionschef Joschka Fischer und Parteichef Jürgen Trittin durchzusetzen, die in den letzten Monaten auffallend oft an ihre Erfahrungen in rot-grünen Landesregierungen erinnern.

Mehr als drei Ministerien erhoffen sich auch grüne Optimisten nicht, und so ist Streit wohl unvermeidlich. Daß sich bereits die Verhandlungskommission auf eine gemeinsame Linie wird einigen können, hofft eine Spitzenpolitikerin. „Wenn eine solche Debatte auf einem Parteitag geführt wird, wird sie unerfreulich.“

Viel Zeit bleibt den Grünen für die Suche nach Kompromissen nicht. Eine Bundesdelegiertenkonferenz soll den Koalitionsvertrag, wenn er denn zustande kommt, Ende Oktober in Bonn absegnen. Die Verhandlungskommission, die dafür verantwortlich ist, wird aus den Mitgliedern des Geschäftsführenden Bundesvorstands der Partei, aus dem bisherigen Fraktionsvorstand und aus fünf weiteren Mitgliedern bestehen, die bereits am Wochenende nach der Bundestagswahl von einem Länderrat bestimmt werden.

Die Entscheidung über die Ministerposten ist übrigens erst der Anfang des Personalkarussells. Gewählt werden muß auch noch ein neuer Fraktionsvorstand und ein neuer Parteivorstand. Einige Staatssekretäre und Direktorenposten sind in einer koalitionären Wundertüte außerdem enthalten. Mit Blick auf Quote und Strömung schlägt dann die Stunde der Arithmetiker. Bettina Gaus, Bonn