Ein-Satz-Geschichten

Vermutlich zum Prestigegewinn im Sinne des Staates nicht geeignet: neue iranische Filme  ■ Von Malte Hagener

Die Studiochefs im Hollywood der Glanzzeit pflegten zu behaupten, daß eine gute Geschichte in einem einzigen Satz zu erzählen sei. Während diese Maxime in den USA derzeit wenig Konjunktur hat, wird sie im Iran beherzigt, wovon fünf Filme auf dem Hamburger Filmfest Zeugnis ablegen.

Naneh Lala and her Children erzählt beispielsweise eine täuschend einfache Geschichte mit simplen, doch wirkungsvollen Film-Mitteln. Eine alte Frau hat lange nichts von ihrem Sohn aus Japan gehört. Gerade als sich alle Erwachsenen ihrer Straße auf einer Beerdigung befinden, ruft er bei den Nachbarn an und bittet den daheimgebliebenen Jungen, Nanah Lala zu holen. Die Schwierigkeiten erwachsen nun daraus, daß die Eltern den Jungen zu Hause eingeschlossen haben, damit dieser seine Schularbeiten erledigt. Mit spielerischer Leichtigkeit schildert der Film die Versuche der Kinder, die alte Frau mit dem Telefon zusammenzubringen.

Während Naneh Lala und The Mirror, bei dem schließlich das Filmteam selbst in das Drama um ein verirrtes Mädchen verwickelt wird, als Kinderfilme daherkommen, die sich auch an ein erwachsenes Publikum wenden, zielt Dance of the Dust von vornherein auf den Kunstfilm-Markt ab. In einer kargen Hügellandschaft dokumentiert der Film alle Schritte der Ziegelsteinherstellung vom Formen über das Trocknen bis zum Backen im Ofen und Verladen. Parallel wird eine Liebesgeschichte zwischen zwei Halbwüchsigen erzählt. Der Film ohne Dialog war der Jury auf dem Festival von Locarno einen Silbernen Leoparden wert.

Der Verzicht auf Dialog oder der Einsatz von Kindern und alten Menschen als Hauptdarsteller bietet für iranische Regisseure offenbar einen Ausweg aus dem Konflikt mit der allgegenwärtigen Zensur. Gerade jene Regisseure, die schon unter dem Schah-Regime politisch unliebsam waren, wurden von den Islamisten keineswegs mit offenen Armen aufgenommen. Ein solcher Fall ist Dariush Mehrjui, der Anfang der 70er Jahre das iranische Kino erstmals in das Bewußtsein der internationalen Filmöffentlichkeit rückte. Nach der islamischen Revolution ließen seine Schwierigkeiten mit der Zensur nicht nach, so daß in den Achtzigern einige Jahre in Frankreich im Exil lebte. Nach seiner Rückkehr drehte er zunächst populäre Unterhaltung, bevor er sich wieder an kontroverse Themen heranwagte. Als Familien-Komödie startend und als Tragödie endend schildert Leila das Leben einer verheirateten Frau, die herausfindet, daß sie unfruchtbar ist. Die böse Schwiegermutter – der Mann will eigentlich gar keine Kinder – macht ihr das Leben zur Hölle, bis sie schließlich ihre Einwilligung zu einer Zweitfrau gibt. Der Film sorgte im Iran durch die Kritik an der Polygamie für Kontroversen.

Kulturelles Ansehen im Ausland strebt die Regierung an, wenn sie Filme auf internationale Festivals schickt. Subtil entziehen sich jedoch die Regisseure einem Propaganda-Auftrag, so daß abzuwarten bleibt, ob ihre Filme sich zum Prestigegewinn einspannen lassen.

Dance of Dust: So, 19 Uhr, Metropolis; Mo, 17 Uhr, Cinemaxx. Leila: Di, 17.30 Uhr, Cinemaxx; Mi, 22.30 Uhr, Abaton. Naneh Lala: Di, 19.30 Uhr, Abaton; Mi, 17 Uhr, Cinemaxx. The Mirror: Sa, 19 Uhr, Zeise Kino