Top ten der Wahllokale

■ Ob Auto- oder Schützenhaus, Schwimm- oder Tennisclub – Wahlurnen allerorten

Was, keine Lust auf Wahl? Das muß nicht sein. Denn als Konkurrenz zu drögen Schulen, Bezirksämtern oder Kneipen gibt es dieses Jahr eine Reihe von Wahllokalen der besonderen Art. Orte, die neben der politischen Mitbestimmung die Möglichkeit bieten, die Wahl mit einem Gebet, einem Schuß ins Schwarze, einem Segeltörn oder einem Autokauf zu verbinden. Der Landeswahlleiter Günther Appel wußte gestern, drei Tage vor der Bundestagswahl, von jeder Menge „Kuriositäten“ zu berichten.

In einem Wahllokal in Lichtenrade beispielsweise können Wähler sprichwörtlich ins Schwarze treffen. Denn sie geben ihre Stimme in einem Schützenhaus ab. Wer bei seiner Wahl lieber auf Gott vertraut und zufällig in Wilmersdorf wohnt, kann in der „Vater unser“-Gemeinde seinen Stimmzettel zusammen mit einem Gebet einwerfen. In einem Wahllokal in Reinickendorf gibt es die Möglichkeit, nach getaner politischer Willensbildung zu Fuß aufs Gaspedal zu treten. Denn dort hat der Besitzer eines Autohauses seinen Laden in ein Wahllokal umfunktioniert. Ob er zur Autofahrer-Partei gehört, war gestern nicht in Erfahrung zu bringen.

In einem Zehlendorfer Wahllokal könnte die Wahl ins Wasser fallen. Denn dort halten sich die Wähler in einem Schwimmbad, das zum Ort des Geschehens wird, über Wasser. Wer sich dagegen mit harten Aufschlägen auf die noch unsichere Zukunft vorbereiten will und in Tempelhof wahlberechtigt ist, kann dort in einem Tennisclub sein Kreuz machen. Für familiäre Atmosphäre sorgt der Wahlvorsteher persönlich. Der ist nämlich der Vorsitzende des Clubs.

In Rauchfangswerder, das zum Wahlkreis Köpenick/Treptow gehört, wird in einem Seglerheim der politische Kurs bestimmt. Dieser Wahlkreis im südlichsten Zipfel von Berlin weist noch eine weitere Besonderheit auf. Weil er der kleinste Stimmbezirk ist, dürfen dort die Kreuze nicht ausgezählt werden. Die Polizei muß die Urne nach Schmöckwitz fahren, wo die Stimmen gemeinsam mit den Stimmen des dortigen Lokals ausgezählt werden. Barbara Bollwahn