Selbst in Siegen heißt siegen gewinnen

■ Wie der Siegener CDU-MdB versucht, das 1:0 der Sportfreunde über Freiburg umzudeuten

Siegen (taz) – Wenn der Stadionsprecher fleht, die Zuschauer mögen bitte auf ihren Plätzen bleiben, um den neuen Rasen zu schonen, aber natürlich trotzdem alle über die Balustrade hüpfen und nach Abpfiff den Fußballspielern auf die Schultern klopfen, die mit aufgerissenen Augen und Unglaublich-Gesichtern in jedes Mikrofon brabbeln, das ihnen entgegengehalten wird, um von ihrem Glück zu künden, dann ist wieder Pokaltag. Die Provinz des Fußballs begehrt auf, David wirft Goliath raus, und ewig andere Gesetze werden beschworen. Nur in diesem Jahr kaum, wo sensationell nur die Abwesenheit von Sensationen ist und bislang fast durchgehend die Favoriten siegten.

Fast exklusiv hatte Siegen die Szenen solch wilder Glückseligkeit. Im Achtelfinale darf man nun allein das Fähnlein der Drittligisten hochhalten. Mit 1:0 bezwangen die Sportfreunde jene Mannschaft, „vor der jeder in Deutschland Angst hat und gegen die sogar Bayern nur mit kontrollierter Offensive gespielt hat“, wie Siegen-Trainer Ingo Peter wußte. Bei diesem vermeintlich übermächtigen Gegner handelte es sich übrigens um den SC Freiburg, der aber sein „erstes richtig schwaches Spiel der Saison“ (Trainer Finke) machte. Ohne die verletzten Baya und Weißhaupt im offensiven Mittelfeld spielten sie im Leimbachstadion genau eine Gelegenheit heraus – Iashvili schoß an die Latte –, weshalb Torhüter Golz zu Recht resümierte, „unsere einzige Chance wäre das Elfmeterschießen gewesen“. Die andere Torgelegenheit hatte Siegen und nutzte sie. Bei einer Sitzfußballvariation im vollbesetzten Fünf-Meter- Raum drückte schließlich Sellimi den Ball ins eigene Tor.

Daß Siegen zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte in die 3. Runde des Pokals gekommen ist, tat vor allem Trainer Peter gut. Reichlich übellaunig war das Publikum vor dem Spiel gegen den SC Freiburg und schlecht auf den Trainer zu sprechen. Im Sommer nur knapp am Aufstieg in die Zweite Liga vorbeigeschrammt, sind die Sportfreunde zur Zeit lediglich Siebter der Regionalliga West-Südwest. Während des Spiels stauchte Peter noch einige Nörgler auf der Tribüne zusammen. Danach durfte er sich für die „taktische Meisterleistung“ feiern lassen, wie im „Pressezelt“ unablässig ein gewisser Herr Breuer betonte. Der ist Pfeifenraucher und von quaddelhaftem Selbstbewußtsein, hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Newt Gingrich und ist MdB der CDU. Vor der Pressekonferenz versuchte Herr Breuer (ehemaliger Slogan: „Nach Bonn ein Neuer, na klar, Paul Breuer.“) den Sieg der Sportfreunde auch als seinen persönlichen und Vorzeichen eines Erfolges von Helmut Kohl auszudeuten. Die Region aber hat er nicht beschworen, obwohl die Menschen ihren Klub doch fast nur mit dem Ruf „Siegerland“ anzufeuern pflegen. Man möchte wetten, daß der Spruch auf dem großen Schild an der Haupttribüne aus der Sprüche-Werkstatt des Herrn Breuer stammt: „SIEGEN heißt GEWINNEN, es kann nur einer SIEGEN.“ Christoph Biermann

SC Freiburg: Golz – Korell – Diarra (71. Frontzeck), Müller – Hoffmann, Pavlin, Hermel, Günes (46. Ben Slimane), Kobiaschwili – Sellimi, Iaschwili

Gelb-Rot: Iaschwili (86.) wegen Handspiels

Zuschauer: 12.000, Tor: 1:0 Kuci (54.)

Siegen: Balaz – Kuci – Wolf, Germann, Schönberger – Scholtysik, Krämer, Jonjic, Cirba (89. Tonello) – Saric, Ziga (76. Klein)