Mečiar geht kein Risiko ein

In der Slowakei wird ein neues Parlament gewählt. Die Opposition rechnet sich Chancen aus, aber der Regierungschef hat ihr mit einer Änderung des Wahlgesetzes und der Kontrolle der Medien Steine in den Weg gelegt  ■ Von Keno Verseck

Bukarest (taz) – Für Vladimir Mečiar ist der Westen erklärtermaßen ein Feind. Doch in diesen Tagen rief der nationalistische Ministerpräsident der Slowakei Aushängeschilder des Westens zu Hilfe, um sein Regime zu retten. Mečiar weihte zusammen mit Claudia Schiffer ein Autobahnteilstück ein, plauderte vor seinen Anhängern und laufenden Kameras freundschaftlich mit Gérard Depardieu und Claudia Cardinale. Die Wahlkampfauftritte westlicher Prominenter an der Seite des slowakischen Ministerpräsidenten soll dieser angeblich mit jeweils über 200.000 Mark bezahlt haben.

Heute und morgen wählen knapp vier Millionen Slowaken ein neues Parlament. Es geht um die Zukunft des Landes schlechthin: Darum, ob das quasi autoritäre Regime Mečiars an der Macht bleibt oder ob die Slowakei demokratisch regiert wird.

Seit das Land 1993 ein eigenständiger Staat wurde, herrschte Mečiar mit nur kurzer Unterbrechung. Der 56jährige ehemalige Amateurboxer und seine regierende „Bewegung für eine demokratische Slowakei“ (HZDS) hielten sich dabei selten an demokratische Grundsätze. Von einer Partei entwickelte sich die HZDS zu einer oligarchieähnlichen Organisation, in der die Mitgliedschaft für die meisten Funktionäre und Angestellten in Staatsapparat, Verwaltung und anderen öffentlichen Bereichen ungeschriebenes Gesetz ist. Mit dem Namen von Mečiar und seiner Regierungspartei sind zahlreiche Fälle von Korruption, organisierter Kriminalität, dubiosen Privatisierungsgeschäften, Geheimdienstskandalen und sogar Kidnapping- und Mordaffären verbunden. Mečiar und die HZDS brachten auch die staatlichen und einen Teil der privaten Medien unter ihre Kontrolle und setzten zahlreiche minderheitenfeindliche Bestimmungen im Parlament durch, die vor allem gegen die 600.000 Ungarn gerichtet sind.

Der innenpolitischen Situation hat die Slowakei auch ihre internationale Isolation zu verdanken. Schon seit langem kritisieren westliche Regierungen und Institutionen Mečiars autoritären Führungsstil und die Verletzung von Bürgerrechten in der Slowakei. Die Chancen für eine Aufnahme in die Nato und die Europäische Union hat das Land vorerst verspielt.

Gegen den slowakischen Ministerpräsidenten, seine Partei und deren Koalitionspartner, eine linksnationalistische und eine rechtsextremistische Partei, tritt eine breite Parteienkoalition an, die sich über alle Unterschiede hinweg zum Hauptziel gesetzt hat, Mečiar in den Wahlen zu besiegen. Im größten Oppositionsverband, der „Slowakischen Demokratischen Koalition“ (SDK), haben sich fünf Parteien, darunter Christdemokraten und Sozialdemokraten, zusammengeschlossen.

Nach Meinungsumfragen liegt die SDK mit 25 Prozent der Stimmen nur kanpp hinter Mečiars HZDS. Zusammen mit anderen Parteien könnte die bisherige Opposition tatsächlich die Mehrheit erringen. Die „Ungarische Koalitionspartei“ (SMK), der drei ungarische Parteien angehören, kann mit 10 Prozent der Stimmen rechnen; die „Partei der brügerlichen Verständigung“ (SOP) des deutschstammigen Bürgermeisters der ostslowakischen Industriestadt Košice, Rudolf Schuster, kommt auf 15 Prozent. Demgegenüber müssen Mečiars Koalitionspartner um ihren Einzug ins Parlament bangen.

Angesichts eines drohenden Wahlverlustes hat der Ministerpräsident wenig unversucht gelassen, um die Opposition zu benachteiligen. Mečiar ließ ein Wahlgesetz verabschieden, das durch die Erhöhung der bisherigen 3-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament auf 5 Prozent kleine Parteien benachteiligt und Koalitionen daher erschwert, weshalb sich die jetzigen Oppositionskoalitionen formal als Parteien konstituieren mußten. Im August, kurz vor der Eröffnung des Wahlkampfes, drohte ihnen deshalb ein Verbot durch den obersten Gerichtshof.

Auch erlaubt das Wahlgesetz einen Wahlkampf nur in staatlichen Medien – und die werden von Mečiar kontrolliert. Weil der populärste Fernsehsender des Landes, das Privatfernsehen Markiza TV, diese Bestimmung dennoch zu umgehen versuchte, wurde das Gebäude des Senders vor zehn Tagen in einer Kommandoaktion besetzt und die Führung des Senders entlassen. Hinter der Aktion steht offiziell ein Miteigentümer des Fernsehsenders, der wiederum Mečiar nahestehen soll. Nach diesem letzten von zahlreichen schmutzigen Wahlkampfaffären befürchtet die slowakische Opposition nun, daß Mečiar und seine Partei selbst vor Wahlfälschung nicht zurückschrecken.