Hillu Schröder für Rot-Grün in Bonn

■ In Oldenburg warb Gerhard Schröders Ex-Gattin auf einer grünen Wahlkampfveranstaltung für ihre Bonner Lieblingskoalition

Hannover (taz) – Gestandene und in Niedersachsen durchaus prominente Grünen-Politikerinnen saßen da im Oldenburger Lambertihof auf dem Podium, um am Mittwoch abend über „die Bundesrepublik nach der Wahl“ zu diskutieren. Mit dabei die Landesvorsitzende Renee Krebs, die Bundestagsabgeordnete Waltraud Schoppe und nicht zuletzt die jetzige Bundestagskandidatin Thea Dückert. Die meisten der dreihundert Zuschauerinnen waren allerdings gekommen, um die einzige Sozialdemokratin unter den Grünen zu hören und einmal live zu sehen. Hiltrud Schröder, die Ex- Ehefrau des SPD-Kanzlerkandidaten, hatte in der überdachten Einkaufspassage in der Oldenburger Innenstadt ihren ersten und auch letzten öffentlichen Auftritt im Bundestagswahlkampf.

„Seit Jahren wünsche ich Veränderung in dieser Republik. Diese Änderung ist jetzt in greifbare Nähe gerückt. Tatsächliche Veränderungen kann ich mir aber nur in einer rot-grünen Koalition vorstellen.“ Mit drei prägnanten Sätzen machte Hiltrud Schröder sofort klar, warum sie ausgerechnet auf einer Grünen-Veranstaltung ihren einzigen Auftritt im Bundestagswahlkampf absolvierte. In der SPD fühlt sich die Ex- Gattin des Kanzlerkandidaten mit dieser dezidiert rot-grünen Position „keineswegs allein“. An die Jahre 1990 bis 1994, an die Zeit der rot-grünen Koalition in Niedersachsen, hat 49jährige Hiltrud Schröder noch heute „eine unheimlich gute Erinnerung“.

Die Oldenburger Bundestagskandidatin Thea Dückert, die unter Rot-Grün die grüne Landtagsfraktion ihrer Partei führte und heute auf Platz drei der Landesliste steht, hatte Hiltrud Schröder zu der Grünen-Veranstaltung eingeladen. „Der paternalistische Muff der Kohl-Ära“ solle mit Rot-Grün von der politischen Bühne verschwinden, sagte Thea Dückert. Ihren Glauben an ihre Bonner Wunschkoalition ließ sich Dückert auch nicht durch die despektierlichen Äußerungen nehmen, mit denen Gerhard Schröder heute die rot-grüne Zeit in Niedersachsen zu bedenken pflegt. Der SPD-Spitzenkandidat könne ruhig über rot- schwarze oder schwarz-rote Koalitionen reden. „Es geht nicht darum, ob Gerhard Schröder eine Koalition mit den Grünen will, es geht allein um die Mehrheitsverhältnisse nach der Wahl“, sagte die Grünen-Politikerin. Bei einer Mehrheit für Rot-Grün werde der Druck aus der SPD, aus dem Gewerkschaften und aus der Gesellschaft für eine Koalition zwischen SPD und Grünen sofort dasein.

In der zweistündigen Diskussion, in der auf Fragen des Publikums hin sehr viele Themen kurz angerissen wurden, machte Hiltrud Schröder mehrfach deutlich, daß sie mittlerweile nicht nur Persönliches, sondern auch Politisches vom SPD-Kanzlerkandidaten trennt. Die engagierte Atomkraftgegnerin, die sich seit langem für die Opfer der Tschernobyl-Katastrophe einsetzt, konnte sich in Oldenburg „einen Ausstieg aus der Kernenergie nur mit Rot-Grün vorstellen“. Solange die AKWs nicht abgeschaltet seien, spiele man wie in Tschernobyl mit dem Feuer, wo die Katastrophe „ein Stück des Planten unbewohnbar gemacht“ habe, warnte sie.

Von den zwanzig oder dreißig Jahren, die der Ausstieg nach Meinung von Gerhard Schröder dauern soll, wollte sie allerdings nichts wissen. „Wer sagt, machen wir doch mal zwanzig, dreißig Jahre weiter so, der handelt für mich unverantwortlich“, sagte Schröders Ex-Gattin dem grünen Publikum klipp und klar.

Am Ende der Diskussion wollte Hiltrud Schröder als einzige der sechs Frauen auf dem Podium Rot- Grün in Bonn keine guten Wünsche mit auf den Weg geben. Der Koalition und deren Spitzenpersonal wünsche sie „gar nichts“. Wichtig sei allein, daß Rot-Grün die Erwartungen seiner Wählerinnen und Wähler nicht enttäusche. „Nicht die Menschen, die dann an der Spitze stehen, sollen sich freuen, daß sie nun an der Spitze sind“, sagte Hiltrud Schröder wohl auch vor dem Hintergrund langjähriger persönlicher Erfahrungen mit dem egozentrischen SPD-Spitzenmann. Die Hoffnungen der Menschen, die Hoffnungen auf neue Arbeitsplätze etwa, die müsse Rot-Grün erfüllen. Jürgen Voges