Gericht weist Serbien ab

■ Im Prozeß um Bericht über Massengräber im Kosovo hat die taz auch in 2. Instanz Erfolg

Berlin (taz) – Schon das Berliner Landgericht hatte einen Antrag der Republik Serbien zurückgewiesen, der taz ihren Bericht über Massengräber im Kosovo vom 5.August 1998 zu untersagen. Auf die Beschwerde Serbiens hin hat jetzt das Kammergericht, Berlins höchstes Zivilgericht, diesen Beschluß bestätigt und den Antrag auf eine einstweilige Verfügung endgültig abgewiesen.

Zwar könne die Überschrift des angegriffenen Artikels die Behauptung einer erwiesenen Tatsache nahelegen. Aus dem sich anschließenden Text des Artikels ergebe sich jedoch „zweifelsfrei, daß nicht über festgestellte Tatsachen berichtet wird, sondern lediglich über Angaben von dritter Seite“.

Es werde „lediglich mitgeteilt, daß in den unstreitig außerhalb der Ortschaft Orahovac gefundenen Gräbern nach Angaben von Augenzeugen 567 Menschen begraben seien“. Außerdem habe die taz am folgenden Tag berichtet, „daß der am Vortage geäußerte Verdacht durch neutrale Beobachter bislang nicht bestätigt werden konnte“.

Eine sogenannte Verdachtsberichterstattung sei nicht schrankenlos zulässig, urteilt das Kammergericht. Im Rahmen einer Güterabwägung komme jedoch der Pressefreiheit überragende Bedeutung zu. Der Staat müsse sich „in erheblich weiterem Umfang als einzelne kritischer Berichterstattung aussetzen“.

Bei ihrer Aufgabe, Verfehlungen und Mißstände aufzuzeigen, brauche die Presse nicht damit zu warten, bis der volle Nachweis amtlich bestätigt sei – insbesondere wenn es darum gehe, weitere Ermittlungen in Gang zu bringen. Voraussetzung sei, „daß die Grundsätze sachlicher und sorgfältiger Berichterstattung nicht verletzt, insbesondere auch die gegen den Verdacht sprechenden Umstände mitgeteilt werden. Dies ist im vorliegenden Fall geschehen.“ Damit habe die Zeitung im Rahmen der ihr zugewiesenen Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt. MR