Editorial

■ Sehnsucht nach einer schönen neuen Welt

Ob Gerhard Schröder in jungen Jahren nur gepafft oder doch inhaliert hat, interessiert hierzulande kein Schwein. Auch das Thema Legalisierung von Cannabis spielt im diesjährigen Wahlkampf keine Rolle. Und ob ein Regierungswechsel eine Wende der Drogenpolitik bringt, ist mehr als zweifelhaft. Die SPD schweigt sich zu dem brisanten Thema beharrlich aus (Seite 4). Schlimmer noch: Im Februar stimmte sie dem Hanfsamenverbot zu, durch das viele Headshopbetreiber kriminalisiert und in den Ruin getrieben werden (Seite 6). Den Konsumenten geht es nicht besser. Seit August müssen sie mit Führerscheinentzug rechnen, wenn ihnen kleinste Mengen THC im Blut nachgewiesen werden. Das ist selbst dann möglich, wenn der letzte Joint schon Wochen zurückliegt. Zum Glück sind die neuen Meßgeräte der Polizei technisch noch nicht ausgereift (Seite 7).

Auch die UNO verkündete jüngst ganz abstruse Pläne: Ihr Ziel ist eine „drogenfreie Welt“ bis zum Jahr 2008 (Seite 12). Nur hat es in der Geschichte der Menschheit niemals eine suchtfreie Gesellschaft gegeben (Seite 15). Dennoch werden in den USA schon „Vorbereitungen“ für die schöne neue Welt getroffen: Am 14. September stimmte das Repräsentantenhaus gegen eine Legalisierung von Marihuana zu medizinischen Zwecken. Wenigstens kann Hanf als nachwachsender Rohstoff Erfolge aufweisen: Die Ernte ist in Deutschland üppiger denn je, und Hanfprodukte gewinnen zunehmend an Akzeptanz (Seite 8). Die CannaBusiness, die weltgrößte Hanfausstellung, vermeldet schon im Vorfeld neue Ausstellerrekorde (Seite 9). Auch in Sachen Cannabis als Medizin tut sich was: In einigen europäischen Ländern laufen demnächst erste klinische Studien an (Seite 6). ole/VW