Tony Blair für alle Gelegenheiten

„Don't give me a Tony!“ sagen in Großbritannien vor allem junge Leute. Damit meinen sie: „Laber nicht!“ Tony ist Tony Blair, der unbestrittene Chef der New-Labour-Regierung. Tony steht für den Redner, der mit seiner Eloquenz den Gegner schlicht überfährt. Tony steht für den Gewinner, den Machtmenschen, den Visionär, der mit inhaltsarmen Slogans das Land überzeugt.

Erstmals hörte man das Sprichwort nach der Unterhauswahl 1997, in der New Labour ein sensationeller Sieg gelang. Nach achtzehn Jahren konservativer Regierung konnten die Briten wieder von West nach Ost rote Farbe auf der politischen Landkarte sehen. Denn Rot ist die Farbe von New Labour – die die allermeisten der 659 Wahlkreise gewann.

Zu verdanken hatte Labour dies Tony Blair. Seine Redebegabung machte ihn 1994 – nach dem plötzlichen Tod von Labour-Chef John Smith – zur neuen Führungsfigur. Als er voriges Jahr gegen John Major antrat, war er 43 Jahre; so jung, daß es glaubwürdig klang, wenn er den Aufbruch und Cool Britannia beschwor.

Blair verdrängte sozialistische Parolen aus den Parteistatuten, kappte den Einfluß der Gewerkschaften und schwor die Partei auf die marktwirtschaftlich orientierte Wirtschaftspolitik ein – allesamt traditionell konservative Inhalte, aber der graue John Major konnte mit ihnen die Mittelschicht nicht mehr mobilisieren.

„Tony walks like a Tory, Tony talks like a Tory“ haben Parteilinke aus den eigenen Reihen geflucht. Blair selbst hat aus dem Erfolgsrezept nie einen Hehl gemacht hat. Bereits als Jurastudent in Oxford waren ihm die Parteilinken zuwider. Im Gegensatz zur gesamten Parteiführung entspricht seine politische Entwicklung ganz und gar nicht der Labour-Tradition nach dem Zweiten Weltkrieg.

Blair kommt aus einer wohlhabenden, konservativen Familie. 1983 begann er seine Karriere bei Labour; sein Ziel waren stets die Modernisierung und der Wechsel – aber wohin? Zu seinen politischen Vorbildern gefragt, fällt Blair Margaret Thatcher ein.

Die Kritiker aus der Old-Labour- Fraktion haben es mit ihm schwer. Gegen die Blairisten sind sie schlicht unpopulär. Sogar die konservative Zeitung Sun votierte am Wahltag für den neuen Premier. Denn Blair ist für das Medienzeitalter wie geboren. Er sieht trotz Segelohren gut aus und antwortet in druckreifen Sätzen.

Sein glattes Gesicht läßt ihn jungenhaft erscheinen, der höher werdende Haaransatz sorgt für Seriosität. Sein Dauerlächeln ist das eines netten Kerls, dem man nichts abschlagen kann. Ein Tony steht eben auch für einen fabelhaften Kommunikator – das hat das Friedensabkommen von Nordirland gezeigt. Tina Hüttl