Ein Rattenschwanz von Verweigerungstechniken

■ Ein Expo-Projekt vom feinsten sollte sie werden: Die Ökosiedlung Aldenburg in Wilhelmshaven. Doch die Stadt stoppte das Projekt. Initiatoren haben 300.000 Schulden

Wenn Staves das Leben in der Ökosiedlung skizziert, schließt er die Augen: „Die Bewohner können wählen zwischen Fahrrad, Bus und Car-sharing. Dank eines eigenen Telefonnetzes ist das Telefonieren (innerhalb der Siedlung) kostenlos. Ein Blockheizkraftwerk reduziert den Energieverbrauch um gut ein Drittel. Komposttoiletten und Regenwassernutzung senken den Wasserverbrauch um die Hälfte.“ Leben, wohnen und arbeiten im Einklang mit der Natur: Der Verein „Ökosiedlung Aldenburg“ mit seinem ersten Vorsitzenden Robert Staves wollte in Wilhelmshaven zeigen, daß Menschen nachhaltig siedeln können. Konsequent ökologisch sollten 80 Wohneinheiten, Büro- und Gewerberäume, ein Kindergarten und eine Pflanzenkläranlage gebaut werden. Baubeginn sollte der erste September dieses Jahres sein.

Doch heute, vier Wochen später, ist der Traum ausgeträumt. Im diesem Sommer stoppte die Stadt das bundesweit beachtete und von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt mit 100.000 Mark geförderte Projekt und erklärte die Verhandlungen mit dem Verein für „gescheitert und beendet“. Der Vorsitzende des Umweltausschusses, Werner Biehl (Bündnis 90/Grüne), trat daraufhin zurück. Begründung: „Während für andere Investoren alles Erdenkliche getan wird, gab es bei der Ökosiedlung einen ganzen Rattenschwanz von Verweigerungstechniken.“

Die 32 Mitglieder des Vereins Ökosiedlung Aldenburg stehen vor einem Scherbenhaufen: Vier Jahre Arbeit waren für die Katz; 300.000 Mark Schulden haben sich in dieser Zeit angehäuft. Die ersten Bauwilligen haben Wilhelmshaven bereits enttäuscht verlassen.

Und dabei sollte die Ökosiedlung Exponat der Expo am Meer sein. Staves: „Wir reden alle von Nachhaltigkeit, vom schonenden Umgang mit den Ressourcen, von ökologischer und sozialverträglicher Entwicklung. In Wilhelmshaven aber bleiben das Fremdwörter.“

2,1 Millionen Mark kostet das drei Hektar große Grundstück. Im März dieses Jahres waren die Verträge unterschriftsreif. Vier Monate später „sieht die Stadt Wilhelmshaven keine Möglichkeit mehr, daß es dem Verein gelingen wird, das Projekt Ökosiedlung (...) zu realisieren“, heißt es in der Pressemitteilung. Ein von der Stadt angebotener Vertragsabschluß habe sich „immer wieder verzögert“.

Hintergrund: Der Ökoverein war in Zahlungsschwierigkeiten geraten und konnte das Grundstück nicht sofort kaufen, unter anderem, weil eine mit dem Bau der Siedlung beauftragte Firma Konkurs ging. „Der Verein hat Absprachen nicht eingehalten und dadurch unser Vertrauen gebrochen“, sagt Stadtrat Wolfgang Frank. Wesentlicher Bestandteil der Abmachung sei gewesen, den Kaufpreis in einer Summe zu bezahlen. Dagegen Staves. „Die haben nur darauf gewartet, uns zu zerschlagen.“

Vermittlungsversuche, selbst auf Ministeriumsebene, habe die Verwaltungsspitze abgelehnt. „Wenn der Verein die zwei Millionen überwiesen hätte, wäre der Vertrag unter Dach und Fach. Aber die haben das Geld nicht“, sagt Siegfried Neumann, Sprecher der Mehrheitsgruppe im Rat. Allerdings scheint kaum einer aus Politik und Verwaltung darüber wirklich traurig zu sein. Denn während die Stadt dem Verein einen Preis von 120 Mark pro Quadratmeter zugesagt hatte, „kann sie heute auf dem Immobilienmarkt das Doppelte erzielen“, so Neumann.

Staves: „Hehre Ziele, wie sie die Expo 2000 und die Agenda 21 formulieren, kommen wohl für Wilhelmshaven eine Generation zu früh.“ Samuel Klar